Vor EU-Gipfel: Weiter Proteste in der Ukraine

In der litauischen Hauptstadt Vilnius beginnt am Abend der EU-Gipfel zur "Östlichen Partnerschaft". Ziel ist es, Ex-Sowjet-Staaten an die EU heranzuführen. Hauptereignis des Gipfels wäre eigentlich die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine gewesen. Doch die ukrainische Staatsführung hat die EU-Annäherung vergangenen Woche überraschend eingefroren – und damit Proteste im ganzen Land ausgelöst.

Morgenjournal, 28.11.2013

Demonstranten harren aus

Sprechchöre, Reden, Musik – und das rund um die Uhr. Am Sonntag nach der großen Demonstration gegen den Stopp der EU-Annäherung haben Studenten den Unabhängigkeitsplatz im Zentrum Kiews in Besitz genommen, und seit diesem Tag harren sie dort aus, ihre Zahl wächst, Demonstranten aus anderen Städten stoßen dazu, mehrere Tausend sind es schon. "Es geht um unsere Zukunft", erklärt ein junger Mann. Den Traum von einem Leben in Europa, den will sich hier niemand von Präsident Janukowitsch und seiner Regierung nehmen lassen. Hinter die Proteste haben sich auch die größeren Oppositionsparteien des Landes gestellt – die Partei Udar des Boxchampions Vitali Klitschko, die Partei Vaterland der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, und die rechtsradikale Freiheitspartei. Doch das interessiert die jungen Menschen, die den Großteil der Demonstranten hier ausmachen, nicht wirklich: Als nicht-politisch bezeichnen sie sich, oder vielleicht besser, nicht parteipolitisch engagiert. Aber alle sind sie entschlossen zu bleiben, bis die Regierung das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet.

EU oder nicht?

Präsident Viktor Janukowitsch reist zwar zum EU-Gipfel nach Vilnius – aber dass er dort schon wieder eine Kehrtwende vollzieht und das Abkommen doch noch unterschreibt, gilt als weitgehend ausgeschlossen. Aus Janukowitschs Aussagen eine klare Linie herauszulesen, fällt allerdings auch vielen Ukrainern schwer. Nur wenige Tage nachdem seine Regierung die EU-Annäherung eingefroren hatte, sagte Janukowitsch am Montag, der Kurs Richtung EU sei ohne Alternativen – nur um sich am Dienstag dann wieder viel zurückhaltender zu äußern:

"Wir werden unseren eigenen Weg gehen, werden dafür arbeiten, wirtschaftlich stärker zu werden. Und erst wenn die Ukraine stark genug ist, kann sie das Abkommen mit der EU unterschreiben", so Janukowitsch.

"EU braucht Strategie"

Die Regierung könne diese Demonstration nicht einfach ignorieren, sagt Andreas Umland, Politologe an der Kiewer Mohyla-Akademie. Er werde eine Reaktion geben müssen, die die Demonstranten zufrieden stellt - das Abkommen vielleicht verschiebt und dann doch noch unterzeichnet. Das Abkommen mit der EU werde also doch noch kommen, vielleicht schon nächstes Jahr, so Umland. Bis dahin müsse aber auch die EU ihre Politik überarbeiten. Davon, dass Russland die Ukraine wirtschaftlich enorm unter Druck setzt, was ja dann für die Ukraine zum Anlass wurde, das Abkommen mit der EU abzusagen, sei die EU ja vollkommen überrascht worden, so der Kiewer Politologe: So müsste es einen Plan dafür geben, wie die EU die Ukraine unterstützt, falls es zu einem Handelskrieg mit Russland kommen sollte. "Und man müsste auch überlegen, was man mit Russland macht, das versucht, ein assoziiertes Mitglied der EU in die Knie zu zwingen."

Nicht nur für die Ukraine, auch für die EU ist die östliche Partnerschaft somit zu einem Projekt geworden, das viel schwieriger umzusetzen ist, als das viele erwartet hätten.