Iran: Mehr Bürgerrechte

Der Iran verhandelt heute weiter mit den Großmächten über sein Atomprogramm, obwohl die USA weitere Sanktionen angekündigt haben. Präsident Rouhani steht gleich mehrfach unter Druck: Seine konservativen Gegner stehen ihm misstrauisch gegenüber, während viele seiner Wähler nicht nur einen raschen Abschluss der Verhandlungen erwarten, sondern auch spürbare Verbesserungen bei den Menschrechten.

Mittagsjournal, 17.12.2013

Präsident im Kino

Symbole sind im Iran oft stärker als Worte. Als vor zwei Tagen beim Teheraner Dokumentarfilmfestival ein Film über Nelson Mandela gezeigt wurde, saß im Publikum ein prominenter Mullah: der ehemalige Präsident Khatami, der innerhalb der Reformbewegung bis heute die Fäden zieht. "Dass ein ehemaliger Präsident ins Kino geht, um sich einen solchen Film anzuschauen, das hat es bei uns noch nie gegeben", sagt Mohamad, ein junger Teheraner Filmemacher. "Und Nelson Mandela gilt nicht nur bei uns, sondern überall auf der Welt als Symbol der Veränderung. Er verkörpert die Kraft etwas zu verändern."
Tatsächlich wurde der südafrikanische Freiheitsheld nach seinem Tod von der iranischen Opposition adoptiert. Sein Bild und seine Taten füllen die Zeitungen der Reformer. Der erste massive Hinweis darauf, dass viele von Rouhanis Wählern mehr wollen als nur einen guten Atom-Deal mit dem Westen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen.

Hoffnung auf Neuanfang

Unter den Trauergästen, die in die südafrikanische Botschaft in Teheran gekommen sind, war eine schmale, blasse Frau, die erst vor kurzem auf Betreiben Rouhanis aus dem Gefängnis entlassen wurde. Die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, Mutter zweier kleiner Kinder, war 3 Jahre im Gefängnis gesessen. Gegen das Berufsverbot, das über sie verhängt wurde, kämpft sie immer noch: "Meine Regierung hat keine Grundlage, um mir die Arbeit für die Menschenrechte zu verbieten", sagte Nasrin Sotoudeh in ihrem ersten Telefon-Interview nach ihrer Freilassung auf CNN. Doch Sotoudehs Anwalt ist immer noch in Haft. Und als eine Gruppe von EU-Parlamentariern die Menschenrechtsanwältin am Wochenende getroffen hat, gab es Kritik aus dem iranischen Parlament. "Es ist schwer von einem Neuanfang zu sprechen, denn noch gibt es zu viele politische Gefangene", sagt Nasrin Sotoudeh, die gegen die harten Haftbedingungen mehrmals im Hungerstreik war. "Aber ich hoffe, dass es zu einem Neuanfang kommen wird."

Novum Bürgerrechtsgesetz

Einen weiteren vorsichtigen Schritt will Präsident Rouhani mit seinem neuen Bürgerrechtsgesetz setzen. Ein Novum in der Islamischen Republik. Die Verfassung, die alles unter Strafe stellt, was dem Islam schadet, wird zwar nicht angetastet. Aber bemerkenswert ist, was in Rouhanis Entwurf nicht steht: So definiert der erste Absatz die Gleichberechtigung aller Bürger und Bürgerinnen. Das Wort Religion kommt darin nicht vor. Über die Internetseite des Präsidenten kann jeder Iraner seine Vorschläge zum Bürgerrechtsgesetz einbringen. "Man kann sehen, dass sich im Iran etwas ändert", sagt Mohamad, der Filmemacher. "Auch wenn es vorerst nur kleine Veränderungen sind - damit sich etwas ändern kann, muss das gesamte Umfeld sich ändern." Noch wird das Parlament von Leuten dominiert, die von einer Öffnung der iranischen Gesellschaft nicht viel halten. Doch in eineinhalb Jahren müssen sich auch die Abgeordneten dem Urteil der Wähler stellen.