Heinisch-Hosek: Gesamtschule durch Hintertür

Die SPÖ konnte in den Koalitionsverhandlungen zum Bereich Bildung ihre zentrale Forderung nach der gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen nicht durchsetzen. Das ist einer der Gründe für den Unmut in weiten Teilen der Partei, den die neue Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, gestellt von der SPÖ, mit einem wahren Ankündigungsreigen zu übertönen versucht. Die gemeinsame Schule will sie etwa über Modellregionen in den westlichen Bundesländern doch noch in ganz Österreich einführen.

BM Heinisch-Hosek

APA/HERBERT PFARRHOFER

Mittagsjournal, 21.12.2013

Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ist "Im Journal zu Gast" bei

Mit ÖVP über Abschaffung des Sitzenbleibens reden

Nicht nur in der Frage der gemeinsamen Schule geht die neue Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek weit über das Regierungsprogramm hinaus. So will sie zum Beispiel das Sitzenbleiben generell und auch die Noten teilweise abschaffen. Letzteres stehe auch im Regierungsprogramm, sagt Heinisch-Hosek "Im Journal zu Gast". In den ersten drei Schulstufen sollen Schulen die Möglichkeit bekommen, auch andere Leistungsbeschreibungen als Noten heranzuziehen: "Noten bei den Kleinen abschaffen, das kann Wirklichkeit werden, wenn die Schulen das wollen."

Bei der teilweisen Abschaffung des Sitzenbleibens in der modularen AHS-Oberstufe hatte es schon einen Kampf mit dem Koalitionspartner ÖVP – trotzdem will Heinisch-Hosek mit der ÖVP über eine Abschaffung auch im Pflichtschulbereich reden. "Nicht von heute auf morgen, aber in nächster Zukunft."

Entscheidung bei den Eltern

Die ideale Schule ist für die Unterrichtsministerin ein "Haus, in das die Kinder in der Früh neugierig hineingehen, und um vier/halb fünf ohne Schultasche, ohne Hausübung herauskommen, damit Zeit für die Eltern und Erziehungsberechtigten bleibt." Voraussetzung dafür sei, dass der ganze Tag in der Schule verbracht wird, wobei Lernen, Nachholen, Sport und Kreativität abgewechselt werden sollen. Das mache Hausübungen praktisch obsolet. "Bis 2018 können wir es mit 400 Millionen Euro schaffen, dass mehr als die Hälfte aller Schulen in Österreich Ganztagsschulen geworden sind."

Entscheiden sollen bei Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht allein die Eltern. Wenn diese wollen, dass ihr Kind in eine solche Schule kommt, und 15 Kinder dafür da sind, sollen Schulgemeinschaftsausschuss und Schulforum nicht extra befragt werden, sagt Heinisch-Hosek. Mindestens eine Klasse pro Standort soll in dieser Form geführt werden.

Gesamtschule über Bundesländer

Die gemeinsame Schulde der Zehn- bis 14-Jährigen konnte die SPÖ in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen, daher will sich Heinisch-Hosek um den Ausbau der Neuen Mittelschule bemühen. Diese sei ein erster Schritt in Richtung Gesamtschule. "Ich möchte dafür werben, dass dieses Angebot auch in den AHS-Unterstufen angenommen wird. Erst elf Standorte in ganz Österreich ist nicht viel." Wenn einer der ÖVP-Landeshauptmänner der westlichen Bundesländer auf sie zukäme und in seinem Bundesland eine Modellregion haben wollte, müsste man nur einige Kleinigkeiten im Schulorganisationsgesetz ändern, so Heinisch-Hosek, so könnte sich die gemeinsame Schule über einzelne Bundesländer in Österreich verbreiten.

Modellregionen seien "das erklärte Ziel dieser Landeshauptleute", sagt Heinisch-Hosek und sie sei demgegenüber sehr offen. Die Finanzierung müsse freilich gemeinsam bewerkstelligt werden.

Wunsch: 80 Prozent ins neue Dienstrecht

In Sachen neues Lehrerdienstrecht will Heinisch-Hosek jetzt eine Informationsoffensive, vor allem bei den Studierenden, starten, denn dort sei einiges an Fehlinformationen verbreitet worden.

Während der Übergangszeit von der alten zur neuen Regelung in den kommenden fünf Jahren wünscht sich die Unterrichtsministerin, dass sich etwa achtzig Prozent der Neueintretenden für das neue Lehrerdienstrecht entscheiden. Dafür müsse sie aber viel werben, das wisse sie, so Heinisch-Hosek.

"Solidarbeitrag": Keine Fairness-Bedenken

Für einen Aufschrei gesorgt haben Pläne der neuen Regierung zur Finanzierung der Pensionen. Sollte es nicht gelingen, das faktische Pensionsantrittsalter zu heben, soll ein Mechanismus in Kraft treten, der bei der Aufwertung im Pensionskonto einen sogenannten Solidarbeitrag der Jüngeren vorsieht. Das würde bedeuten, dass länger zurückliegende Beitragszeiten bei der Gutschrift auf dem Pensionskonto weniger wert sein könnten. Letztlich würde die Pension geringer ausfallen. Heinisch-Hosek sagt dazu, dass man Konsequenzen festschreiben müsse, für den Fall, dass etwas nicht erreicht werde.

Ob das fair sei? "Aber es ist doch auch nicht gerecht, dass man Frauen länger im Arbeitsprozess hält, obwohl sie krank sind oder arbeitslos, und daher das Frauenpensionsalter vorzeitig anhebt", sagt Heinisch-Hosek, "das Aufwiegen von Maßnahmen wird uns jetzt wahrscheinlich nicht weiterbringen." Sie glaube nicht, dass die junge Generation automatisch zur Kasse gebeten werde, so die Unterrichtsministerin.