Deutsche Koalition: Zwist über Zuwanderung
In Deutschland gibt es zu Jahresbeginn eine Debatte über "Armutszuwanderung". Die bayerische Regierungspartei CSU fordert ein strengeres Vorgehen gegen Leute, denen sie vorwirft, nur der Sozialleistungen wegen nach Deutschland zu kommen. Die neue deutsche Regierung erlebt damit auch gleich die erste große regierungsinterne Kontroverse.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 2.1.2014
Heftige Wortgefechte
Man würde kaum glauben, dass sie nun einer gemeinsamen Bundesregierung sitzen, so heftig sind Exponenten aus den Parteien SPD und CDU in den letzten Stunden aneinander geraten. "Die CSU hat Europa nicht verstanden", mit diesen Worten lässt Michael Roth, der Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, von sich hören. Sein Chef, SPD- Außenminister Frank-Walter Steinmeier, formuliert es diplomatischer, aber nicht weniger heftig, wenn er sagt, wer die Arbeitnehmer-Freizügigkeit infrage stellt, der gefährde Europa und schade Deutschland. Beide Äußerungen wurden der "Süddeutschen Zeitung" gegenüber gemacht. Aus dem Süden Deutschlands, von der bayerischen CSU, ist der jüngste Vorstoß gegen "Armutszuwanderung" gekommen. Die CSU steht vor ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth und hat in einem Arbeitspapier Punkte aufgenommen wie jenen, dass Zuwanderer in den ersten drei Monaten kein Recht auf deutsche Sozialleistungen beanspruchen dürften. Für besonders große Aufregung sorgte aber eine Formulierung aus dem CSU- Papier, in der es heißt, "Wer betrügt, der fliegt", ein Spruch, der weitum als billige Stammtischparole gesehen wurde, eher unwürdig einer mitregierenden Partei. Was die CSU nach eigenen Angaben damit sagen will, ist, dass jemand, der sich Sozialleitungen erschleicht, ausgewiesen und mit einer Wiedereinreisesperre belegt werden sollte.
Roma im Visier
Seit Jahresbeginn dürfen sich Rumänen und Bulgaren frei in Deutschland niederlassen, um hier zu arbeiten. Das Interesse ist groß, und in der Mehrzahl streben tatsächlich jene nach Deutschland, die hier auch gebraucht werden. Fachkräfte, etwa Krankenschwestern für den Pflegesektor, die in Rumänien schlecht verdienen und für die in Deutschland großer Bedarf besteht.
Aber gerade aus Rumänien und Bulgarien sind auch Einwanderer nach Deutschland gekommen, mit denen man sich schwer tut. Die CSU spricht es nicht offen aus, aber sie hat, wenn sie vor "Armutszuwanderung" warnt, die Volksgruppe der Roma besonders im Blick.
Blick in die Praxis
Ein Deutschkurs in der Stadt Duisburg, in die besonders viele Roma eingewandert sind. Lehrerin Sidona Bauer hat hier einen harten Job: "Es gibt Teilnehmer, die noch nie in der Schule gewesen, sind, vor allem von den Jüngeren. Das ist natürlich eine starke Hürde."
Städte wie Duisburg oder Mannheim, aber auch die Hauptstadt Berlin, haben hohe Belastungen zu tragen, wenn es gilt, Einwanderer einigermaßen zu integrieren. Sie rufen nach Hilfe vom Staat und aus europäischen Kassen.
Am grundsätzlichen Problem lässt sich aber wenig ändern, nämlich dass in erster Linie jene kommen, die arm sind und auf eine besseres Leben hoffen. Die "Armutszuwanderung" bleibt daher eher die Regel als die Ausnahme. Der große Spötter Henryk M. Broder schreibt heute in der "Welt": "'Reichtumsmigration' gibt es nicht, es sei denn, man würde Gerard Depardieu als Beispiel nehmen, einen Mann also, der Auslandswohnsitze sammelt, um den heimischen Steuerbehörden zu entkommen."