Die Tänzerinnen Tilly Losch und Hedy Pfundmayr
Das Wiener Fotoinstitut Bonartes hat gemeinsam mit der Wiener Albertina die Ausstellung "Tanz der Hände" zusammengestellt. Im Zentrum stehen Fotografien der beiden Tänzerinnen Tilly Losch und Hedy Pfundmayr. Sie waren in den 1920er Jahren zwei der bekanntesten Solistinnen der Wiener Staatsoper.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 21.01.2014
Im Rahmen eines Forschungsprojekts erwarb Bonartes den fotografischen Nachlass der Tänzerin Hedy Pfundmayr. Dass aus diesem Nachlass eine Ausstellung hervorgehen würde, war eher dem Zufall zu verdanken, erzählt Kuratorin Monika Faber. Denn zahlreiche Fotografien und Dokumente zeugten von Pfundmayrs enger Zusammenarbeit mit Tilly Losch, von ihrem Ruf als "unzertrennliche Balleteusen" der Wiener Staatsoper und von ihrem Ruhm als Schöpferinnen einer Choreopgraphie nur für Hände.
Hände als bevorzugtes Ausdrucksmittel
Zu sehen ist zum Beispiel ein Porträt der Tänzerin Hedy Pfundmayr. Das Gesicht am unteren Bildrand ist nur schemenhaft erkennbar, im Zentrum der Abbildung stehen ihre Arme und Hände, in expressiver Geste, so als würden sie sich an etwas festkrallen. Diese Arbeit der Fotografin Grete Kolliner von 1929 steht programmatisch dafür, wie die Hände als Ausdrucksmittel in den 1920er Jahren neu entdeckt und fotografisch in Szene gesetzt wurden, erklärt die Kuratorin Magdalena Vukovic.
Hände waren beliebte Sujets auf Werbeplakaten und Starfotografen wie Rudolf Koppitz oder Trude Fleischmann inszenierten sie als unverzichtbare Details in Porträtaufnahmen. Das Handlesen kam in Mode und vor allem in Zeitschriften für Kunst, Bühne und Fotografie wurde eine Fülle von Artikeln über die Wirkung der Hände veröffentlicht. Wer als Tänzer oder Tänzerin reüssieren wollte, so hieß es, der oder die musste feine und beredte Hände haben.
Weibliche Aktivität statt Passivität
Für Frauen war die expressive Ausdrucksweise der Hände auch ein symbolisches Hervortreten in die Öffentlichkeit, meint die Historikerin Ines Rieder, denn zum ersten Mal in der Kunstgeschichte verwandelten sie sich vom nackten passiven Objekt zum handelnden, ausdrucksstarken Subjekt. In nahezu allen Fotografien steht hinter der expressiven Darstellung der Hände außerdem ein homoerotischer Code, ist Rieder überzeugt: "In der Lesbenszene bzw. Queer-Szene dienten die Hände dazu, um anderen Frauen gegenüber Begehren auszudrücken."
Inspiration für Film und Fotografie
Mitte der 1920er Jahre erreichte die gemeinsame Karriere von Tilly Losch und Hedy Pfundmayr ihren Höhepunkt. Schon während ihres Engagements an der Wiener Staatsoper ließen die beiden immer wieder Elemente aus dem Ausdruckstanz in ihre Darstellungen einfließen. Mit dem "Tanz der Hände", den sie gemeinsam mit dem deutschen Tänzer Harald Kreutzberger 1927 für die Salzburger Festspiele kreierten, schufen sie ein unverkennbares Markenzeichen, das zur Inspiration für Film und Fotografie wurde. Im Stummfilm erreichte die expressive Gestik und Mimik ihren Höhepunkt, und in der Fotografie entstand eine neue Ästhetik akribisch durchkomponierten Posierens, sagt Magdalena Vukovic.
Verwischte Spuren
Schon kurze Zeit später kam es zum Zerwürfnis der beiden Tänzerinnen. Tilly Losch folgte ihrem Mentor Max Reinhardt nach London und machte später in New York und Hollywood Karriere. Hedy Pfundmayr blieb in Wien und erlangte während des Nationalsozialismus' großes Ansehen als Tänzerin und Choreographin - ihre Themenkostüme der 1920er tauschte sie ideologiekonform gegen Trachten und Dirndln. Beide versuchten, die gemeinsamen Spuren zu verwischen, indem sie Dokumente und Fotos vernichteten. Ihr gemeinsames Wirken und ihr Einfluss auf Tanz, Fotografie und Film blieb noch bis in die 1940er Jahre erhalten, sagt Ines Rieder.
Die Ausstellung im Photoinstitut Bonartes ist noch bis 13.3. zu sehen. Sie bietet interessante Einblicke in die Fotokunst der 20er Jahre. Und sie schafft es auch, spannende Geschichten hinter den Schwarz-Weiß-Aufnahmen zu erzählen.