Was uns im Leben wirklich steuert
Sorry, das waren die Hormone!
Hormone erzeugen Wutbürger und bringen uns dazu, unsere Kinder unendlich zu lieben, und sie sind der Auslöser für Liebesdramen, schreibt Ronnie Tekal in seinem Buch. Der Arzt, Medizinkabarettist und Radiojournalist liefert eine Orientierungshilfe durch den dichten Hormondschungel.
8. April 2017, 21:58
"Sorry, das waren die Hormone!" In welchen Lebenssituationen dieser Satz als Ausrede gelten darf und wann nicht, das beschreibt der Mediziner Ronny Tekal in seinem gleichnamigen Buch. Tekal schickt aber voraus: wenn Hormone etwas bewirken, bewirken sie immer nur etwas mit. Tekal vergleicht Hormone im Informationssystem des Körpers mit Radiowellen.
Tekal bereitet medizinisches Fachwissen amüsant und verständlich auf. Er beschreibt, welche verhaltensoriginellen Funktionen Hormondrüsen in allen Lebensabschnitten von der Pubertät bis hin zu den Wechseljahren entwickeln können.
Die Regel der Tage
Ein großes Kapitel widmet Tekal dem weiblichen Zyklus. Und er schafft es, das sensible Thema mit Augenzwinkern aufzubereiten. Tekal tritt zum Beispiel als Anwalt der Botenstoffe auf.
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Immerhin strömt in der Blutbahn einer Frau in der ersten Hälfte des Monats eine völlig andere Hormonmischung als unmittelbar vor der Menstruation. Die Reduktion auf rein biologische Prozesse wird zwar oft als persönliche Beleidigung empfunden. Das Verdrängen der biologischen Prozesse ist jedoch - und hier darf ich mich als Anwalt der Botenstoffe verstehen - eine Beleidigung für die Hormone.
Und es ist auch eine Beleidigung für jene Männer, die mit der strapazierten Frage "Hast du wieder mal deine Tage?" auflauern. Also erklärt Tekal geduldig, was hormonell in der zweiten Zyklushälfte im Körper der Frau passiert:
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Für die Männer: Das ist wie beim Fußballspiel, es gibt zwei Halbzeiten. In der Pause springt das Ei und in der zweiten Hälfte werden die Spieler immer müder. War es bis zum Eisprung um den 14. Tag das Wunderhormon Östrogen, das diese schöne geschmeidige Haut und das glückliche Lächeln ins Gesicht zaubert, so ist es das Gelbkörperhormon Progesteron, das nun in den Vordergrund tritt. Es ist zwar auch dafür da, dass sich "die Mama" wohlfühlt, aber in erster Linie geht es ihm um das mögliche Baby im Bauch.
Das Kuschelhormon
Eines der Lieblingshormone von Ronny Tekal ist das Hormon Oxytocin. Es zahlt sich aus, über den vielfältigen Botenstoff Bescheid zu wissen, wirbt Tekal in seinem Buch. Das auch als "Treue, Kuschel- und Bindungshormon" bekannte Oxytocin wird nicht nur beim Orgasmus in die Blutbahn abgegeben, sondern hat auch eine wichtige Funktion bei der Geburt und für die Bindung zwischen Mutter und Kind. Und unüblich für Hormone: Je mehr Oxytocin da ist, desto mehr wird produziert. Auch Paare können ihre Produktion des Kuschelhormons aktiv ankurbeln:
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Tatsächlich führen sanfte Berührungen und Massagen zu einer vermehrten Ausschüttung der Botenstoffe Oxytocin und Dopamin, also des Kuschel- und des Glückshormons, sagt der Wiener Physiologe Cem Ekmekcioglu. Partner, die zärtlich zueinander sind, haben höhere Spiegel dieser Substanzen. Auch wenn der Physiologe eine tägliche Dosis von 20 Minuten empfiehlt, die in den Untersuchungen zu einer deutlichen Steigerung der Hormonausschüttung geführt hat, ist jede Berührung besser als keine.
Auch dem Geschäft mit Hormonpräparaten und der Hormonforschung, die nach einem Elixier für ewige Jugend, Schönheit und Manneskraft sucht, widmet Tekal ein ausführliches Kapitel.
"Sorry, das waren die Hormone" ist eine amüsante Gebrauchsanweisung für den eigenen Hormonhaushalt, sie erklärt verständlich medizinisches Wissen und Studien. Und bringt vielleicht dem einen oder anderen Leser beziehungsweise der einen oder anderen Leserin die Vorgänge im eigenen hormongebeutelten Körper ein bisschen näher.
Service
Ronny Tekal, "Sorry, das waren die Hormone! Was uns im Leben wirklich steuert", Orell Füssli Verlag