Ukraine: "Jetzt muss der Wähler entscheiden"

Wie kann es in der Ukraine nach dem turbulenten Machtwechsel weitergehen? Zehn Jahre nach der Orangen Revolution, die gescheitert ist, kann der neue Anlauf nur erfolgreich sein, wenn er demokratisch legitimiert wird, betont der ukrainische Politologe Wladimir Fesenko.

Menschen in Andacht und Blumen

(c) APA/EPA/SERGEY DOLZHENKO

Morgenjournal, 25.2..2014

"Maidan repräsentiert nicht Alle"

Die Demonstranten auf dem Maidan wollten nicht noch einmal enttäuscht werden, so wie nach der Orangen Revolution, meint Politologe Wladimir Fesenko: "Jene, die heute auf dem Maidan stehen, rufen die Politiker auf, die nun die Macht übernommen haben, nicht die gleichen Fehler wie damals zu machen."

Nun müssten so rasch wie möglich Neuwahlen stattfinden, um den Volksaufstand auf dem Maidan zu legitimieren, so Fesenko: "Die Welle an Veränderungen, die der Maidan losgelöst hat, muss demokratisch gesichert werden. Bei aller Hochachtung für den Maidan, er repräsentiert nicht die ganze Bevölkerung. Jetzt muss der Wähler entscheiden, wie in allen demokratischen Ländern."

Konfliktquelle Timoschenko

Doch wer könnte das Land aus der Krise führen? Für die Präsidentschaftswahlen im Mai sieht Fesenko drei Favoriten: den Boxer Witali Klitschko, den Schokoladen-Industriellen Pjotr Petroschenko und Julia Timoschenko. Diese stelle den Führungsanspruch in der Opposition, was für Konflikte sorgen dürfte: "Die Besonderheit der aktuellen Revolution ist, dass es keinen einzelnen Führer gibt. Das ist gut, denn es mindert die Gefahr autoritärer Aktionen. Timoschenko aber ist eine starke Persönlichkeit, die immer die Decke an sich reißt. Das könnte zu Konflikten führen, auch unter ihren Mitstreitern."

Streit um die Krim

Nicht nur die Gräben zwischen Politikern, sondern noch vielmehr jene zwischen dem prowestlichen und dem prorussischen Teil der Ukraine sind große Herausforderungen für die neuen Machthaber. Die Gefahr der Spaltung des Landes sieht Fesenko vorerst gebannt. Allerdings, so der Politologe, könnte die Halbinsel Krim, auf der mehrheitlich Russen leben und wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist, zum Zankapfel mit dem mächtigen Nachbarn werden: "Natürlich könnte Russland versuchen, um die Krim zu kämpfen. Wie sich die Situation dort entwickelt, ist nicht nur für die Ukraine, sondern auch die internationale Sicherheit von Bedeutung. Es ist wichtig, dass sich nicht das Szenario des Georgien-Kriegs von 2008 wiederholt."

Zwischen Europa und Russland

Eines steht unterdessen für Politologe Fesenko fest: Nach der jüngsten Revolution schwenkte die Ukraine wieder auf Europakurs um. Dieser sei jedoch nicht in Stein gemeißelt: "Die Ukraine ist ein besonderes Land, wir befinden uns zwischen Europa und Russland, haben zwei Kulturen in uns. Wir wollen zwar nach Europa, aber das halbe Land orientiert sich an Russland. Und viele wollen sich gleichzeitig Europa und Russland annähern. Nur wenn die neuen Machthaber europäische Reformen durchführen, die sich bald positiv auf das Leben der Menschen auswirken, ist die europäische Integration erfolgreich." Ansonsten, warnt Politologe Wladimir Fesenko, könnten die Konflikte zwischen proeuropäischer und prorussischer Bevölkerung neu angeheizt werden.