Fukushima: Kampf gegen radioaktive Pest

Heute vor drei Jahren erschütterte jenes gewaltige Erdbeben Japan, das eine Atomkatastrophe auslösen sollte. Der folgende Tsunami legte das AKW Fukushima 1 lahm, in drei der sechs Reaktoren kam es zu Kernschmelzen. Gestern zeigte der Betreiber Tepco Journalisten den Fortgang der Aufräumarbeiten. Mit Schutzanzug, Atemschutzmaske und Strahlenmesser.

Ein Mann in einem Schutzanzug im Atomkraftwerk in Fukushima

(c) Epa,Toru-Hanai,Pool

Mittagsjournal, 11.3.2014

Aus Fukushima

Noch immer massive Strahlung

"Drei, zwei, eins, los", wird heruntergezählt, dann gehen alle Lichter im Kontrollraum für die zerstörten Reaktoren 1 und 2 in Fukushima aus. 15 Sekunden lang steht die Gruppe ausländischer Presseleute im Dunkeln. Mit dieser etwas makabren Vorführung will der AKW-Betreiber Tepco die Situation vor drei Jahren veranschaulichen. Der Tsunami hatte die Stromversorgung zerstört, die Reaktoren fingen an sich zu überhitzen. In ihrer Not bauten die zehn Techniker damals die Batterien aus ihren Autos aus und nahmen mit deren Strom wichtige Instrumente wieder in Betrieb, wie Tepco-Sprecher Kenichi Matsui über ein Megafon vor seiner Atemschutzmaske erklärt. "Bitte beachten Sie die mit Bleistift geschriebenen Zahlen neben dem Anzeiger für den Kühlwasserstand", sagt er. "Die Operatoren haben verzweifelt versucht, Informationen über den Zustand der Anlage zu sammeln."

Damals stieg die Strahlung im Kontrollraum rasch um das Tausendfache auf ein Milli-Sievert pro Stunde - so hoch wie die erlaubte Dosis für Normalbürger in einem Jahr. Heute ist die Radioaktivität mit 4,5 Mikro-Sievert pro Stunde immer noch viel höher als erlaubt. Zum Glück liegen zwischen dem Kontrollraum und der tödlichen Strahlung in den beiden Reaktoren 40 Meter und eine dicke Schutzwand.

Neue Erkenntnisse durch Reaktor-Abbau

Jetzt werden die Journalisten in das Untergeschoss von Reaktor 5 geführt, der den Tsunami überstand. Fröhliche klingende Musik, wie aus einer Spieluhr, erklingt: Sie signalisiert, dass die massive Luftschleuse gerade benutzt wird. In den nächsten Jahren will Tepco Reaktor 5 und seinen Nachbarn Nummer 6 abbauen. Dabei sollen wichtige technische Erfahrungen für die spätere Stilllegung der drei zerstörten Meiler gesammelt werden. Denn deren Untergeschosse sind mit hoch verstrahltem Wasser geflutet und für Menschen völlig unzugänglich. Die Gruppe geht durch den geöffneten Betonmantel des Sicherheitsbehälters bis an eine Rampe, die in einen Hohlraum unter dem Reaktorbehälter mündet. Tepco-Sprecher Matsui erklärt derweil: "Wir vermuten, dass der geschmolzene Brennstoff in den drei kaputten Reaktoren aus dem Druckbehälter herausgeflossen ist und jetzt in diesem Bereich abkühlt. Durch das Studium am intakten Reaktor wollen wir neue technische Lösungen finden."

Doch die drängendste Aufgabe im AKW Fukushima ist die Eindämmung der Wasserflut. Alle sechs Tage fällt so viel verstrahltes Wasser an wie in einem 50-Meter-Schwimmbecken. Auf die Schnelle gebaute, genietete Wasserspeicher lecken immer wieder. Langsam werden sie durch geschweißte Tanks ersetzt. Die geplante Verklappung des Wassers im Pazifik will AKW-Chef Akira Ono nicht bestätigen: "Wir werden das Wasser demnächst mit Hilfe unserer neuen Aufbereitungsanlage besser reinigen. Bisher gibt es jedoch keine Pläne, dieses gesäuberte Wasser ins Meer zu leiten."

Ein langer Kampf

Unterdessen hat Tepco mit den Vorbereitungen für den Bau einer kilometerlangen Eiswand im Boden um die Reaktoren begonnen. Die Wand soll das Grundwasser davon abhalten, in die kontaminierten Reaktorkeller einzusickern. Die Besucher fahren an der Baustelle vorbei. Ein Arbeiter schneidet gerade isolierenden Schaumstoff für eine Kühlleitung zurecht. Doch den Einsatz dieser Technik aus dem Tunnelbau hat in diesem Ausmaß noch niemand erprobt. Der Kampf mit der radioaktiven Pest in Fukushima wird wohl noch sehr lange dauern.