Libyen: Politisch und ökonomisch zerrissen

In Libyen herrscht Chaos. Nach seiner Absetzung durch das Parlament in Tripolis flüchtete der bisherige Regierungschef Ali Zeidan nach Europa. Ihm war schon länger vorgeworfen worden, die Sicherheitslage nicht in den Griff zu bekommen. Sein Sturz dürfte letztendlich durch die Affäre rund um einen nordkoreanischen Tanker ausgelöst worden sein.

Mittagsjournal, 12.3.2014

Verteidigungsminister vorübergehend Regierungschef

Seit Monaten streiten in Libyen Regierung und Rebellen um den Ölreichtum des Landes. Jetzt gibt es ein erstes politisches Opfer: Ministerpräsident Ali Seidan wird durch einen Misstrauensantrag im Parlament abgesetzt. Nach monatelanger Kritik an seiner Amtsführung, bei der auch Korruptionsvorwürfe laut wurden, machen die Abgeordneten kurzen Prozess.

Ali Seidan sei nicht länger Regierungschef, teilt der Sprecher des sogenannten Nationalkongresses mit. Bis zu Neuwahlen werde Verteidigungsminister Abdullah al Thani die Amtsgeschäfte führen. Seidan steht damit vor vollendeten Tatsachen. Bei einer Pressekonferenz versucht er, sich noch einmal zu rechtfertigen, aber seine Erklärungen werden vom libyschen Fernsehen nur kurz und bruchstückhaft übertragen.

Öl-Affäre als letzter Stoß gegen Seidan

Unmittelbar nach seiner Absetzung wurde gegen Seidan ein Haftbefehl erlassen - wegen angeblicher Korruption. Ali Seidan gelingt es gerade noch, aus Tripolis zu fliehen. Zunächst landet er auf Malta. Von dort aus will er - wie es heißt - in ein anderes europäisches Land weiterreisen, wahrscheinlich in die Schweiz oder nach Deutschland, wo er jahrelang als Oppositioneller im Exil gelebt hat.

Seine schärfsten Kritiker sind die Muslimbrüder. Für sie war die Affäre rund um die eigenmächtigen Ölexportgeschäfte der Rebellen ein willkommener Anlass, um den ungeliebten Regierungschef loszuwerden. Denn Ali Seidan hatte noch am Montag erklärt, die Marine habe die "Morning Glory" aufgebracht - so heißt der mysteriöse unter nordkoreanischer Flagge fahrende Tanker - und die Rebellen könnten somit ihren illegalen ÖL- Verkauf nicht durchziehen. Aber den Aufständischen gelang es angeblich, bei schlechtem Wetter irgendwie zu entkommen. Mit ihrem voll beladenen Öltanker befinden sie sich nun irgendwo auf offener See.

Libyen bald gespaltenes Land?

Wer den Rebellen das Öl abkauft, bleibt unklar. Aber das ist ohnehin nur Nebensache. Für Besorgnis sorgt allerdings der nach wie vor anhaltende Streit um das Öl, die wichtigste Einnahmequelle des Landes. Seit August halten die Rebellen drei Ölhäfen besetzt.

Seitdem ist die Produktion von 1,5 Millionen Barrel pro Tag auf 250.000 gefallen. Die Aufständischen wollen sich nun ganz offiziell einen Anteil am Ölreichtum sichern und fordern Autonomie für den Osten des Landes. Libyen könnte über kurz oder lang ein gespaltenes Land werden, zweieinhalb Jahre nach dem Sturz Gaddafis.