Spitalsärzte: EU bringt Reformen ins Rollen
Österreich muss die Arbeitswirklichkeit der Spitalsärztinnen und -ärzte an die EU-Vorgaben anpassen: Eine durchschnittliche Arbeitswoche darf nur mehr 48 Stunden betragen, in österreichischen Spitälern ist eine 72-Stunden-Woche aber nichts Außergewöhnliches. Werden die neuen Arbeitszeiten eingehalten, fürchten Spitalerhalter jedoch Personalmangel. In Österreich werde ohnehin zu viel in Spitälern gemacht, sagt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.3.2014
Bei Spitalsaufnahmen weit über Europa-Schnitt
Erst die Drohung der Europäischen Kommission, Österreich zu klagen, wenn die Arbeitszeiten der Ärzte und Ärztinnen nicht schleunigst an die EU-Normen angepasst werden, bringe jetzt endlich Bewegung in ein starres System, so Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer: "Ambulant vor stationär, das wurde schon 2005 beschlossen, das wurde 2012 beschlossen. Es wird Zeit, dass man das ernst nimmt. Vielleicht ist diese drohende EU-Klage ein Startschuss, diese Reformen auch wirklich umzusetzen."
Denn in Österreich gebe es zu viele Spitäler und zu viele Patienten in Spitälern, sagt Ernest Pichlbauer. Es gebe 26-27 Spitalsaufnahmen pro 100 Einwohner – eine Zahl weit über dem europäischen Schnitt von 17. "Wir machen zu viel in den Spitälern", erklärt der Gesundheitsökonom.
Arbeitsbedingungen "ausbeuterisch"
Marcus Franz, Gesundheitssprecher des Team Stronach und bis vor kurzem Primar am Wiener Hartmannspital, bezeichnet die Arbeitsbedingungen in den Spitälern als "ausbeuterisch". Turnusärzte sind gezwungen, viele Nachtdienste zu machen: "Das ist im Ausbildungsgesetz so vorgeschrieben. Nur über die Nachtdienste kann man natürlich mehr Geld verdienen, weil das Grundgehalt für einen als Dr.med. beginnenden Kollegen sehr schlecht ist, es liegt im Durchschnitt bei 2.000 Euro für eine gut 45-Stunden-Woche."
Auch Marcus Franz fordert, endlich den niedergelassenen Bereich zu stärken, dort sei aber ebenfalls noch viel zu tun, vor allem finanziell.
EU macht Länderintervention unmöglich
Am mangelnden Reformwillen seien die Länder schuld, so Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer: "Die Schwierigkeit in Österreich besteht im sogenannten Konsultationsmechanismus, das heißt, die Länder können praktisch gegen jedes Gesetz Einspruch erheben, wenn sie der Meinung sind, es betrifft sie, und damit legen sie jedes Gesetz lahm."
Wenn die EU interveniert, sei dieser Konsultationsmechanismus nicht gültig, was es dem Bund ermöglichen würde, Gesetze zu beschließen, erklärt Pichlbauer. Anscheinend brauche es Drohungen von der EU, um endlich in Österreich längst fällige Reformen umzusetzen, so der Gesundheitsökonom.