Keine Lehren aus den Flüchtlingstragödien?

Mit den Frühlijngstemperaturen erreicht auch die Fluchtlingswellse im Mittelmehr wieder einen Höhepunkt. Vor einem Jahr sind vor Lampedusa 300 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Die EU war damals zum Handeln veranlasst. Viel hat sich seitdem nicht getan.

Mittagsjournal, 22.3.2014

"Permanente Ausnahmesituation"

Ende Oktober 2013 in einem Flüchtlingslager im maltesischen Marsa. Im Englischkurs werden die Wörter für Körperteile durchgenommen. Den ganzen Sommer über sind Bootsflüchtlinge in Malta angekommen, im Herbst sind alle Aufnahmestellen voll belegt. 16 Stockbetten stehen in einem Zimmer, in manchen Räumen mehr. In den anderen Flüchtlingslagern ist die Situation noch beengter. Der 30-jährige Goitom Yosief ist vor acht Jahren aus Eritrea geflüchtet, nachdem er dort von der Polizei gefoltert wurde: "Der Grund, wieso ich weg musste, wieso ich diese gefährliche Reise machen musste, der Grund wieso ich Schlepper und Mittelsmänner bezahlen musste ist: es hat einfach keine andere Möglichkeit gegeben, Schutz zu bekommen. Selbst wenn es mir gelungen wäre, in die Botschaft eines EU-Landes zu gelangen: Ich hätte dort keinen Schutz bekommen."

Auf ihrer Suche nach Sicherheit in einem EU-Land landen die meisten zufällig in Malta. Bei der Betreuung der Flüchtlinge fühlt man sich aber von der EU im Stich gelassen, sagt Jon Hoiseter vom UNHCR in Malta: "In Malta fühlt man sich bis zu einem gewissen Grad überfordert. Gerade im Sommer kommen eigentlich durchgehend Flüchtlinge an. Anstatt an langfristigen Lösungen zu arbeiten, stehen die akuten Probleme im Vordergrund: wo bringt man die Leute unter, wie versorgt man sie. So ist denke ich der Eindruck entstanden, dass permanent eine Ausnahmesituation herrscht, mit der man alleine gelassen wird." Auch vor Malta kamen immer Bootsflüchtlinge ums Leben. Zuletzt kurz nach dem Unglück von Lampedusa, als 30 Flüchtlinge ertrunken sind, nachdem ihr Boot in Seenot geraten ist. Unter den Toten waren auch viele Kinder.

Pilotprojekt geplant

Nach dem Bootsunglück von Lampedusa, bei dem über 300 Flüchtlinge gestorben sind, hat die EU Verbesserungen angekündigt. Seither gibt es verstärkt Rettungseinsätze der italienischen Marine. Darüber hinaus: viele Diskussionen, aber nichts Konkretes. Beim UNHCR hofft man, wenigsten ein Pilotprojekt auf die Beine zu stellen, sagt Jon Hoiseter: "Wenn Flüchtlinge in einem Land mit dem Boot ankommen, sollte das nicht automatisch heißen, dass sie auch langfristig in diesem Land bleiben müssen. Wir vom UNHCR werden da möglicherweise kein komplett neues System erfinden. Aber wir hoffen, eine Art Pilotprojekt auf die Beine zu stellen um auszuprobieren, wie wir die Verantwortung für die Bootsflüchtlinge zwischen verschiedenen Staaten neu organisieren können."

In Malta zu bleiben ist für die meisten Flüchtlinge jedenfalls sehr schwierig. Viele von ihnen bekommen Asyl, am Arbeitsmarkt sind sie aber mit Diskriminierung konfrontiert. Auch Goitom Yosief ist es so ergangen. Weil er jung und gut ausgebildet ist, hat er aber einen Platz im Umsiedlungsprogramm der UNO bekommen: "Ich bin nicht wirklich glücklich darüber, nachdem ich acht Jahre in Malta verbracht habe. Malta hat mir Schutz gegeben, aber ich will dazugehören, etwas zur Gesellschaft beitragen. Das war in Malta nicht möglich, deswegen gehe ich in die USA." Kurz nach dem Interview hat Goitom Yosief in den USA ein neues Leben begonnen.

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