Erdogan feiert sich als Wahlsieger

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat den Schicksalstag, wie er die gestrigen Lokalwahlen genannt hat, als Sieger überstanden. Seine AKP blieb klar die führende Kraft im Land, auch in Istanbul und Ankara. Obwohl noch lange nicht alle Stimmen ausgezählt waren, erschien Erdogan kurz nach Mitternacht vor seinen Anhängern und ließ sich feiern.

Erdogans Schatten

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Morgenjournal, 31.3.2014

"Wir sind die Herren"

Seinen engsten Kreis hat Recep Tayyip Erdogan zu seiner Siegesrede um sich auf dem Balkon versammelt: ehemalige Minister, die unter schwerem Korruptionsverdacht stehen, und sein eigener Sohn Bilal, der inzwischen durch geheim mitgehörte Gespräche als unterwürfiger, aber steinreicher Handlanger seines Vaters geoutet ist. Alle durften sie dabei sein, als der achtfache Wahlsieger mit seinen Gegnern abrechnete: "Das türkische Volk hat dem Land und der Welt in der Wahlurne eine Botschaft ausgerichtet", rief Erdogan vor hunderten begeisterten Anhängern in Ankara. "Die Botschaft lautet: Hier sind wir. Am türkischen Volk kommt keiner vorbei. Wir sind die Herren dieses Landes. Unbeugsam und unbesiegbar."

Wähler hielten die Treue

Erdogans Familie und die ins Zwielicht geratenen Minister verzogen keine Miene. Trotz des Jubels zu ihren Füßen wirkten sie etwas angespannt – weiß doch niemand, wann auch ihn der Zorn des Chefs treffen wird. Dieser Zorn richtete sich aber einmal mehr gegen die Verschwörer, die von den Wählern zum Glück durchschaut worden seien: "Haben die nicht gesagt, sie werden am 25. März für Chaos sorgen?", spottete Erdogan. "Diejenigen, die sogar die Nationale Sicherheit des Landes verraten haben, indem sie geheime Treffen abhörten, die haben nicht mit dem türkischen Volk gerechnet."

Tatsächlich ist dem türkischen Regierungsstück ein politisches Meisterstück gelungen. Trotz Gezi-Protesten und Korruptionsvorwürfen, trotz Internetsperren und sinkenden Wirtschaftszahlen, trotz seiner undurchschaubaren Außenpolitik und obwohl die Türkei kaum mehr Freunde hat, haben die Wähler ihm die Treue gehalten. Auch in Istanbul und Ankara. Landesweit hat die AKP gegenüber den Parlamentswahlen vor drei Jahren nicht mehr als fünf Prozent verloren.

Drohung an Gegner

Damit fühlt Erdogan sich auch darin bestärkt, die Bewegung des Predigers Fetüllah Gülen weiterhin frontal anzugreifen. Dem Flüchtling Gülen, der in Pennsylvania lebt, lässt er ausrichten, dass jetzt bald weitere Flüchtlinge kommen könnten. Er werde ab heute mit allen Mitteln gegen seine Leute vorgehen und einige von ihnen persönlich anzeigen. Sie würden die Rechnung zahlen für das, was sie dem Land angetan hätten. Schon in der vergangenen Nacht wurden die Internetseiten Gülen-naher Medien blockiert.

Das Klima der Angst, das Erdogan mit solchen Angriffen und Drohungen schafft, könnte ihm helfen, Kritik am Zustandekommen des Wahlergebnisses zu ersticken. Tatsächlich wurden in den Wahllokalen unzählige Unregelmäßigkeiten und Übergriffe beobachtet: Von Schlägertrupps, die für Wahlbeobachter eingesprungen sind, bis zu verschwundenen Urnen und überraschenden Stromabschaltungen während der Auszählung mancher Wahlkreise. Doch das alles war gestern. Heute beginnt, wenn man Erdogan glauben darf, die Abrechnung mit seinen Gegnern.