Frankreich stellt Sparziele in Frage

Der neue französische Premierminister Manuel Valls wird erst am Dienstag seine Regierungserklärung abgeben - und schon stellen Finanz- und EU-Kreise wieder die Frage: Wie wird Frankreich es schaffen, bis Ende 2015 sein Haushaltsdefizit auf die höchstes gestatteten drei Prozent zu reduzieren? Denn erste Äußerungen aus dem neuen Kabinett in Paris deuten darauf hin, dass Frankreich erneut um Aufschub bitten wird.

Morgenjournal, 4.4.2014

"Nicht sparen um des Sparens Willen"

In den hektischen Stunden nach dem Rücktritt der französischen Regierung und der Berufung eines neuen Premierministers war es ein wenig untergegangen: Staatspräsident Hollande selbst ließ in seiner Ansprache an die Franzosen bereits am Montag durchblicken, dass Frankreich Mitte April den Zeitplan für die Reduzierung seines Haushaltsdefizits mit Brüssel wahrscheinlich neu verhandeln möchte: "Wir wollen nicht sparen allein um des Sparens Willen. Ich will nicht die langsam wieder Fuß fassende Konjunktur in Gefahr bringen. Die neue Regierung wird Europa überzeugen müssen, dass man den Anreizen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum, die Frankreich anbietet, Rechnung trägt, bei der Frage, wie wir unsere Engagements gegenüber der EU-Kommission respektieren."

"Es geht um mehr Wachstum"

Kurz vor der Regierungsumbildung in Paris war bekannt geworden, dass Frankreich beim Defizitabbau 2013 nicht die angestrebten 4,1 Prozent erreicht hatte, sondern nur 4,3 Prozent. Prompt runzelten die deutsche Bundesbank, Finanzminister Schäuble und EU-Kommissar Oli Rehn die Stirn, ermahnten die französische Regierung wie fast schon üblich an ihre Verpflichtungen und merkten an, dass die Kommission Frankreich bereits zwei Mal Aufschub gewährt habe. Gestern jedoch betonte auch der neue Finanzminister, Hollande-Vertraute und künftige Unterhändler in Brüssel, Michel Sapin: "Es geht um mehr Wachstum für mehr Arbeitsplätze und darum, die öffentlichen Finanzen nach und nach ins Gleichgewicht zu bringen. Danach diskutieren wir über den Rhythmus der Einsparungen."

"Europa neue Richtung geben"

Noch deutlicher wurde Arnaud Montebourg, der neue Wirtschafts- und Industrieminister, Enfant Terrible der Sozialisten, Gegner der Globalisierung und Kritiker des Brüsseler Spardiktats: "Wir wollen es schaffen, Europa eine neue Richtung zu geben. Momentan gibt ja Europa uns die Richtung vor – in Richtung Sparpolitik, in eine dogmatische Richtung. Die EU-Kommission muss sich weiterentwickeln."

Seit einem Monat hat Frankreich bei dieser Haltung im neuen italienischen Ministerpräsidenten einen Verbündeten. Bei einem jüngsten Treffen in Paris kamen Hollande und Renzi überein, Europa auf einen stärker wachstumsfördernden Kurs zu bringen.