Lobbyisten - Machtfaktor in der EU

Lobbyisten haben in der EU nicht den besten Ruf, nicht erst seit der Affäre Strasser. Geschätzte 20.000 Lobbyisten nehmen in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen und sind für die Entscheidungsträger auch wichtige Informationsquellen. Heimliche Macht oder ehrliche Vermittler, das ist die Frage.

Mittagsjournal, 22.4.2014

Kein Gesetz ohne Lobbying

Nichts wird in Brüssel ohne den Einfluss von Lobbyisten entschieden - das sagt ein Mann der es wissen muss: Karl Jurka ist seit mehr als 20 Jahren freiberuflicher Lobbyist: "So lange wir Demokratie haben, gibt es Interessen, und Interessen werden vertreten. Also: Wie viele Gesetz sind auf europäischer Ebene von Lobbyisten beeinflusst? Antwort: 100 Prozent. Politik gestaltet Gemeinschaft dadurch, dass sie Gesetze macht und in diesem Gesetzgebungsprozess entstehen verschiedene Interessen."

Jurka, der unter anderem Banken und die Automobil- und Pharmaindustrie berät, sieht sich als Übersetzer zwischen Wirtschaft und Politik: "Die Zahl der Politiker, die Ihnen auf Anhieb erklären können, was ein Derivat ist, hält sich in Grenzen. Das kann man den Politkern gar nicht vorwerfen. Wenn man Anlageformen zu regeln hat, dann sucht natürlich die Politik Gesprächspartner, die ihnen in der Sprache der Politik erklären können, was die Wirtschaft da eigentlich treibt. Umgekehrt sucht die Wirtschaft Gesprächspartner, die ihr in der Sprache der Wirtschaft erklären kann, was die Politik eigentlich regeln will."

Lobbyisten als Experten

Das bestätigt auch der ehemalige langjährige EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber: "Ich war eigentlich immer dankbar für die Existenz von Lobbyisten, weil das zum Teil eine Expertise, ein Knowhow eingebracht wird, Informationen für mich. Und es gibt ja dort keinen Fraktionszwang, sie sind also schon in einem viel höheren Ausmaß verantwortlich für die Abstimmungsentscheidung, die sie am Ende treffen. Und da ist es schon interessant zu sehen: Ja wo sind denn da die wunden Punkte für die Betroffenen."

Wirtschaftslobbyisten spielen in Brüssel aber eine übergroße Rolle, sagt Voggenhuber, denn die EU-Kommission sei eher bereit die Interessen der Wirtschaft zu hören: "Es ist nicht nur so, dass die aufgrund ihrer Möglichkeiten mehr Einfluss haben, sondern auch, weil sie offenere Türen vorfinden. Und es ist ein enormer Kampf, der Kommission und dem Rat beizubringen, dass die ganze Gesellschaft einen Einfluss haben muss auf den Entscheidungsprozess."

Kostenfrage und Offenheit

Auch für Lobbyist Karl Jurka sind in Brüssel nicht alle Gesellschaftsgruppen ausreichend vertreten: "Alleine durch die Reisetätigkeit sind Kosten verbunden, und das können sich nicht alle gesellschaftlichen Gruppen leisten. Ich finde, das jeder freiberufliche Lobbyist einen gewissen Prozentsatz seiner Aktivitäten umsonst machen sollte für Menschen, die sich das nicht leisten können. Wir tun das."

Gegen den schlechten Ruf der Lobbyisten rät Jurka zu mehr Offenheit: "Was helfen würde, wäre, wenn der Prozess etwas offener gestaltet wird. Dass man zum Beispiel bei einem Gesetz, einer neuen EU-Vorschrift, genauer definiert, was kommt woher." Dann würden die EU-Bürger auch umstrittenen Verordnungen wie das Verbot von Glühbirnen leichter akzeptieren, meint der erfahrene Lobbyist.

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