"Kalte Progression" entlastet Budget
Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) hält morgen im Nationalrat seine Budgetrede. Das Maastricht-Defizit steigt heuer auf 2,7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Einen großen Teil davon machen die Kosten der Hypo-Pleite aus. Der Finanzminister hofft dabei auf weiter sprudelnde Steuereinnahmen. Einen guten Teil davon liefern die Steuerzahler durch die "kalte Progression" ab - auch schleichende Steuererhöhung genannt.
8. April 2017, 21:58
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Morgenjournal, 28.4.2014
Steuer frisst Lohnerhöhung
Die kalte Progression beschert dem Finanzminister höhere Steuereinnahmen, ohne dass er die Steuern erhöhen muss. Denn durch die jährlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen rutschen viele Steuerzahler automatisch in eine höhere Steuerklasse. Sie zahlen also von ihrem etwas höheren Bruttoeinkommen einen deutlich höheren Steuersatz. Unterm Strich bleibt von der Lohnerhöhung wenig bis nichts übrig. Für den Finanzminister ist es eine Art Körberlgeld, sagt Steuerexperte Peter Bartos von der Wirtschaftsprüfungskanzlei BDO Austria.
Ausmaß unklar
Wie viel die kalte Progression ins Budget spült, ist nicht klar. Vom Finanzministerium gibt es keine Zahlen dazu. Innsbrucker Wirtschaftsforscher haben eine Summe von 500 Millionen Euro jährlich errechnet. Andere Experten bezeichnen diese Zahl als zu hoch gegriffen, weil sie auf einer sehr breiten Definition beruht. Erfasst wurden nämlich nicht nur jene Fälle, die in eine höhere Steuerklasse rutschen, sondern alle Steuerzahler, die mehr verdienen.
Drei Stufen
Dass es die kalte Progression gibt, das liegt daran, dass das heimische Steuersystem nicht inflationsangepasst ist. Die Einkommensgrenzen für die verschiedenen Steuerklassen sind seit fünf Jahren gleich. Derzeit gibt es drei Stufen: Bei 11.000 Euro Jahreseinkommen beginnt die Lohnsteuerpflicht. Die nächsthöheren Steuertarife beginnen bei 25.000 und bei 60.000 Euro.
Vorbild Sozialversicherung
Die jährliche Valorisierung dieser Einkommensgrenzen wäre das Ende der kalten Progression. Gefordert wird das seit langem von ÖGB und Arbeiterkammer ebenso wie von Wirtschaftsexperten. Der Innsbrucker Ökonomen Florian Wakolbinger verweist auf das Beispiel der Sozialversicherung, deren Höchstbeitragsgrundlage und Geringfügigkeitsgrenze jedes Jahr erhöht würden. "Das sollte auch im Steuersystem passieren", so Wakolbinger.
Übrigens: Nicht nur Österreich diskutiert über die kalte Progression, auch in Deutschland machen sich immer mehr Politiker für einen Abbau der heimlichen Steuererhöhungen stark.