Amos Oz: Dichterfürst ist 75

Amos Oz ist so etwas wie Israels Dichterfürst, er ist der im eigenen Land und in der Welt wohl bekannteste israelische Schriftsteller. Am Sonntag wird Amos Oz 75 Jahre alt.

Mittagsjournal, 3.5.2014

Amos Oz im Gespräch mit

Amos Oz hat viele Romane verfasst, die fast alle im israelischen Alltagsmilieu spielen, und gilt seit Langem als Kandidat für den Literaturnobelpreis. Zugleich ist Amos Oz eine der geistigen Autoritäten der israelischen Linken, in unzähligen Artikeln, Reden und Interviews ist er seit Jahrzehnten für einen Ausgleich mit den Palästinensern eingetreten.

Sein letztes Buch hat Amos Oz mit seiner Tochter geschrieben. Fania Oz-Salzberger ist eine angesehene Historikerin. Das gemeinsame Werk heißt „Juden und Wörter“, es ist eine hochgelehrte Plauderei über die jüdische Identität, und die Autoren verfechten darin die These, dass das Judesein sich durch Texte definiert, die über Jahrtausende von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben wurden. Ist es eine spezifisch jüdische Obsession, sich ständig über die eigene Identität den Kopf zu zerbrechen, fragen wir Amos Oz.

„Nicht unbedingt. Jeder zivilisierte Mensch fragt sich von Zeit zu Zeit: wo komme ich her? Wenn Sie zufällig Österreicher sind, und sie hören Musik von Mozart oder lesen die Werke von Musil oder Stifter, dann ist das Teil Ihrer Identität. Ich denke, es ist nicht nur ratsam, sondern auch entscheidend, dass wir in einen Bezug zu unserem Erbe treten. Das ist genau, was dieses Buch zu tun versucht, denn viele säkulare, moderne jüdische Menschen scheinen sich völlig abgewandt zu haben von einem wundervollen Schatz an Büchern und Legenden und Gebräuchen und Gesetzen und Erinnerungen, der es nicht verdient, verloren oder vergessen zu werden.“

In den Romanen von Amos Oz begegnet man einfachen israelischen Menschen, für die der Autor eine Art patriotische Liebe zu empfinden scheint, der Ton ist sanft und ironisch, zugleich ist Oz aber eine zornige Galionsfigur der israelischen Linken – ist das nicht ein Widerspruch?

„Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass die meisten meiner Romane nicht auf den israelisch-palästinensischen Konflikt konzentriert sind. Wenn die gesamte Literatur in Israel sich auf den israelisch-palästinensischen Konflikt konzentrieren müsste, dann würde das heißen, dass wir den Kampf verloren haben, dass wir den Sinn des Lebens verloren haben. Ich schreibe in meinen Romanen über die großen und einfachen Dinge im Leben, Liebe und Einsamkeit und Sehnsucht und Verlust, Tod und Trostlosigkeit und Begehren.

Den Konflikt gibt es immer im Hintergrund, die Geschichte gibt es immer im Hintergrund. Wenn ich mich selbst in einer kleinen Meinungsverschiedenheit mit mir selbst wiederfinde, wenn ich nicht nur eine einzige Stimme in meinem Inneren höre, sondern vielleicht zwei oder drei Stimmen, dann schreibe ich einen Roman oder eine Kurzgeschichte. Wenn ich eine einfache Aussage machen möchte, dann schreibe ich keinen Roman, dann schreibe ich einen bösen Artikel und sage meiner Regierung, sie soll zum Teufel gehen. Sie lesen meinen Artikel, aber aus irgendeinem Grund gehen sie nicht zum Teufel.“

Soeben ist wieder einmal ein Verhandlungsprozess zusammengebrochen. Glaubt der Mitbegründer der „Friede-jetzt“- Bewegung noch immer an den Frieden?

„Sie wollen jetzt, dass ich den Propheten spielen soll im Lande der Propheten. Das ist schwierig, weil es im Prophetengeschäft zu viel Konkurrenz gibt in diesem Land. Ich kann Ihnen sagen, was sein wird, aber ich kann nicht sagen, wann das sein wird. Es wird zwei Staaten geben, Israel Tür an Tür mit Palästina, einfach, weil es absolut keine Alternative zu dieser Lösung gibt. Die Palästinenser werden nicht weggehen, sie haben keinen anderen Platz, die israelischen Juden werden auch nicht weggehen, sie haben auch keinen anderen Platz. Sie können nicht zusammenleben wie eine glückliche Familie, weil sie nicht eins sind und nicht glücklich und auch keine Familie. Sie müssen ihr Haus in zwei kleinere Wohnungen aufteilen, und sie wissen das in der Tiefe ihrer Herzen.“

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