Volksanwalt: Weiter Missstände in Kinderheimen

Die Volksanwaltschaft prangert Menschenrechtsverletzungen in österreichischen Kinderheimen an. Nach der Kontrolle von 84 Jugendwohlfahrtseinrichtungen kommt die Volksanwaltschaft zum Schluss: In einigen Heimen sei die Situation auch heute noch inakzeptabel. Es gebe zu wenig Schutz vor Gewalt unter den Kindern und inakzeptable Strafen für Fehlverhalten.

Morgenjournal, 12.5.2014

Problematische Strafen

Die meisten befragten Kinder sagen, dass sie sich in ihrer Wohngemeinschaft oder ihrem Heim wohl fühlen, heißt es im Jahresbericht der Volksanwaltschaft. Aber in manchen Einrichtungen gebe es menschenrechtswidrige Zustände und Strafen. Zitat: "Das Streichen von Kontakten zur Herkunftsfamilie und Gruppenstrafen nach Regelverstößen erachtet die Volksanwaltschaft in menschenrechtlicher Hinsicht als nicht akzeptabel." Demnach sind ganze Kindergruppen bestraft worden, weil einer etwas angestellt hat. Dadurch werde aber der eine voll dem Zorn der Gruppe ausgesetzt.

Und in manchen Einrichtungen werden Elternbesuche und auch das Telefonieren mit den Eltern gestrichen, wenn ein Kind etwas angestellt hat. Eine so dramatische Maßnahme wäre aus Sicht der Volksanwaltschaft aber nur gerechtfertigt, wenn durch den Elternbesuch das Kindeswohl gefährdet wäre.

Personal- und Schulungsmangel

Speziell in einem Heim in Oberösterreich ortet die Volksanwaltschaft "untragbare Zustände". Ein Zitat: "Eine Strafe war die Suspendierung von Jugendlichen vom Gelände eines Jugendwohnheimes über mehrere Tage, was die Volksanwaltschaft als massive Verletzung der Aufsichtspflicht qualifiziert." Offenbar sind Jugendliche, die gezündelt hatten, in einer Notschlafstelle angemeldet worden und durften vorübergehend nicht im Heim schlafen.

In dem oberösterreichischen Heim ortet die Volksanwaltschaft überhaupt das Fehlen von fürsorglicher Pädagogik - nicht zuletzt aufgrund von Personalmangel. Außerdem gebe es dort mangelhaften Schutz vor Gewalt unter Jugendlichen.

Denn - wie in anderen Einrichtungen auch - gebe es nicht genügend Schulungen des Personals zur Gewaltverhinderung und Deeskalation.

Zu große Gruppen

Dazu kommt: Manche Jugendliche gehen im Heim zur Schule und dürften kaum Kontakte nach außen haben, wo sie auf Probleme hinweisen könnten. Zitat: "Schulen und Werkstätten am Gelände von Wohnheimen in Tirol, Oberösterreich und der Steiermark können eine Chance für Minderjährige sein, die als 'unbeschulbar' gelten. Aber diese abgeschlossenen Systeme waren in den 60er-und 70er-Jahren potenzieller Nährboden für Gewalt und Missbrauch."

In einem Projekt des Landes Oberösterreich und der Volksanwaltschaft wird nun an landesweiten Verbesserungen gearbeitet. Um Fortschritte nicht zu gefährden, hat die Volksanwaltschaft ersucht, den Namen des Heimes nicht zu nennen. Die kritisierten Strafen sollen dort mittlerweile schon abgeschafft sein und die Gruppengröße wurde laut Volksanwaltschaft gesenkt: Fünf Erzieherinnen und Erzieher sind nun für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung einer Gruppe mit neun schwierigen, psychisch belasteten Jugendlichen zuständig. In anderen Bundesländern können noch viel größere Gruppen genehmigt werden - mit bis zu 16 Kindern im Burgenland. Mehr als zehn Kinder in einer Familienwohngruppe entsprechen aus Sicht der Volksanwaltschaft aber nicht den zeitgemäßen Standards.