Die Romane des George Tabori

"Was ich an seinen Stücken immer bewundert habe, war die ironische Leichtigkeit, mit der er die entsetzlichsten Dinge gefasst hat", sagte Elfriede Jelinek einmal über George Tabori: "Wie Diamanten in Papier, und sie bleiben trotzdem an Ort und Stelle."

George Tabori wurde am 24. Mai 1914 als Sohn jüdischer Eltern in Budapest geboren. Im Alter von 18 Jahren ging er nach Berlin, wo er eine Hotelfachschule besuchte. Die berufliche Laufbahn startete George Tabori als "Aschenbecherputzer" im Berliner Hotel "Adlon", wie er seine damalige Tätigkeit als Page selbst bezeichnet hatte. Nach seiner Rückkehr in die ungarische Hauptstadt arbeitete er als Journalist und Übersetzer, ehe er 1936 nach London emigrierte. Während des Zweiten Weltkriegs, auf der Flucht vor den Nazis, war er Spion.

Als der Krieg zu Ende war, wurde Tabori als Drehbuchautor nach Hollywood geholt. In der Zwischenzeit waren Romane von ihm erschienen, die das Interesse der Film-Produzenten geweckt hatten. Erst relativ spät fand Tabori den Weg zum Theater, dem er sich als Regisseur, kurzzeitig auch als Leiter und sogar als Darsteller von da an ganz und gar verschreiben sollte.

Romane in den 1940er Jahren geschrieben

Als Tabori nicht mehr Spion, aber noch kein Hollywood-Autor war, fiel seine Phase als Romanschriftsteller. Drei Romane entstanden in der ersten Hälfte der 1940er Jahre, ein vierter in seiner Anfangszeit in der Filmmetropole. 1944 erschien in London "Beneath the Stone the Scorpion". Bereits ein Jahr später veröffentlichte der Berner Hallwag Verlag die deutschsprachige Übersetzung mit dem Titel "Unter dem Stein der Skorpion". Der Steidl-Verlag, dem das Verdienst gebührt, Taboris Romane nach und nach wiederentdeckt zu haben, wählte den Titel "Das Opfer". Die Handlung ereignet sich während des Zweiten Weltkriegs. Überraschenderweise schrieb Tabori den Roman – er, der vor den Nazis über den Balkan nach Istanbul und schließlich den Nahen Osten bis nach Kairo fliehen musste - aus der Ich-Perspektive des deutschen Nationalsozialisten.

Taboris zweiter Roman "Companions oft the Left Hand" galt eine Zeitlang als verschollen. Doch schließlich wurden alte Ausgaben gefunden, unter dem Titel "Gefährten zur linken Hand" erschien Taboris zweiter Roman erstmals 1999 auf Deutsch.

Insofern haben alle Romane Taboris einen moralischen Anstrich, es ist jedoch nur ein Anstrich, auf Aufdringlichkeit wird verzichtet.

Wiederentdeckt 1992

Die Wiederentdeckung von Taboris Romanen im deutschsprachigen Raum begann 1992, damals brachte der Steidl-Verlag Taboris dritten Roman "Original Sin", im Original 1946 erschienen, unter dem Titel "Ein guter Mord" heraus. Der dritte Roman läutete das Comeback des Romanciers ein. Der Autor zitiert in der Kapitelunterteilung die Litanei des christlichen Schuld- und Bußbekenntnisses: mea culpa - mea culpa - mea maxima culpa.

Taboris vermutlich bester Roman ist sein vierter, wobei auch die andren drei ausgesprochen gut sind, mit dem Titel "Tod in Port Aarif".

Gestalterische Kraft

Taboris Romane sind einerseits hochinteressante Zeitdokumente, in die viel Erfahrungsmaterial des sensiblen und sehr belesen Schriftstellers eingeflossen ist, andererseits spürt man, wer – lektüremäßig - Pate stand: Genet, Malraux, Sartre und vor allem Camus. Dennoch besitzen Taboris Romane eigene gestalterische Kraft, verfügen über originären Zugriff, und sie sind gut lesbar. Taboris erzählerische Dramaturgie macht seine Prosa szenisch und bildhaft; im Prosaschriftsteller steckt bereits der spätere Theatermann.

Im Wagenbach-Verlag erschienen George Taboris Lebenserinnerungen, deren erster Teil, "Autodafé", 2002 herausgebracht wurde und nun mit dem zweiten Teil "Exodus", erstmals aus dem Nachlass veröffentlicht, fortgeführt wurde. Beide Teile befinden sich nun in einem Band.

Alles, was sich danach noch in Taboris Leben ereignete, konnte er nicht mehr aufschreiben. Man hört zwischen den Zeilen Taboris schweren Bassbariton brummen, weder Anekdote noch Witz scheuend. Denn dieser Tragikomiker, dessen halbe Familie in den Vernichtungslagern des Zweiten Weltkriegs umgebracht worden war, hätte wohl anders nicht die Kraft zum Weitermachen gehabt, und irgendwie hatte er es ja tatsächlich geschafft, aus den Katastrophen, die nicht nur seine persönlichen, sondern auch die unseren waren, etwas Hilfreiches zu machen.

Man meint in diesen Lebenserinnerungen den begnadeten Erzähler Tabori selbst zu hören. Und doch kommt etwas hinzu, etwas, was Tabori in all den vielen Interviews und Gesprächen so nicht erzählt hätte: Dafür brauchte es die unerbittliche Kälte des Schreibens und nicht das Augenzwinkern des Anekdotenerzählens: Nach dem Besuch von Auschwitz, wo Taboris Vater Cornelius umgebracht worden war, versuchte sich George Tabori in die Rolle des Abgeklärten zu flüchten, doch dann überschwemmten ihn Vergangenheit, Erinnerung und Empathie und er konnte sich nur noch übergeben.

Service

George Tabori, "Das Opfer", "Gefährten zur linken Hand", "Ein guter Mord", "Tod in Port Aarif", alle Steidl Verlag

George Tabori, "Autodafé", "Exodus", Wagenbach Verlag