Irak: Hunderttausende flüchten vor Islamisten

Im Irak geht der Vormarsch der Kämpfer der "Gruppe für einen Islamischen Staat im Irak und Syrien" (ISIS) weiter. Am Vormittag sollen sie die Stadt Kirkuk unter ihre Kontrolle gebracht haben, laut Medienberichten hat die irakische Armee hingegen Tikrit wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Hunderttausende Iraker sind auf der Flucht, warnt das Flüchtlingshilfswerk UNHCR.

Flüchtlinge im Irak

(c) APA/EPA/KAMAL AKRAYI

Mittagsjournal, 12.6.2014

Aufruf zum Marsch auf Bagdad

"Rollt Eure Ärmel hinauf, gebt kein Stück Land her, das ihr erobert habt, lasst keinen darauf außer über eure Leiche, und marschiert in das rechtgeleitete Bagdad, das Bagdad des Kalifats" - diese Nachricht hat ein Sprecher des Islamischen Staates im Irak und Syrien (ISIS) im Internet verbreitet. Und die Blitzoffensive der ISIS geht weiter. Am Vormittag hat sich die irakische Armee nach Medienberichten aus der Ölhauptstadt Kirkuk im Norden des Landes zurückgezogen, die Stadt soll jetzt unter der Kontrolle kurdischer Kämpfer sein. Berichte, die nicht klar überprüft werden können, ebenso wie die Angaben der irakischen Armee, dass sie die Stadt Tikrit am Weg nach Bagdad wieder zurückerobert habe.

UNO-Appell: Eine Million braucht Hilfe

Klar ist, dass sich in den letzten Tagen viele Iraker aufgemacht haben, um sich vor den Kämpfen in Sicherheit zu bringen erklärt Ned Colt, Sprecher der Flüchtlingshilfserkes der UNO (UNHCR) im Irak: "Das ist eine ernste Krise die schon länger andauert. Seit Jänner ist eine halbe Million Menschen vor den Kämpfen in der Provinz Anbar geflüchtet, und dazu sind in der letzten Woche noch einmal 500.000 dazugekommen, zusammen also eine Million Menschen, die Hilfe brauchen."

Ein großer Teil der Flüchtlinge sei in Richtung der Kurdengebiete im Nordirak unterwegs. In den letzten Tagen ist es an den Kontrollposten zu kilometerlangen Staus gekommen, inzwischen hat die kurdische Autonomiebehörde die Grenzen aber weitgehend geöffnet. Die ISIS hält sich hier offenbar zurück, es gibt aber bereits einzelne Berichte über Zusammenstöße zwischen Kämpfern der ISIS und kurdischen Pehsmerga-Einheiten. Ein anderer Flüchtlingsstrom geht in Richtung Bagdad.

Ned Colt: "Viele kommen herüber und sagen, sie wissen nicht wohin sie gehen sollen - etwa ein Drittel der Flüchtlinge. Ein weiteres Drittel hofft, dass sie bei Verwandten unterkommen und das letzte Drittel sagt, sie hätten nur das, was sie in ihren Taschen haben - kein Geld, nichts. Die UNO ruft daher zu Hilfe auf, damit es für diese Menschen Unterkünfte gibt, Wasser, Essen, und ihre wichtigsten Bedürfnisse gedeckt werden können."

Verschwörungstheorien, Türkei alarmiert

Die irakische Regierung sucht inzwischen nach Schuldigen dafür, dass die Armee innerhalb kürzester Zeit die zweitgrößte Stadt und große Teile des Landes verloren hat. Premier Nuri Al-Maliki spricht von einer Verschwörung. Es gibt auch Hinweise dafür, dass sunnitische Gruppen und ehemalige Angehörige der Baath-Partei von Saddam Hussein mit der ISIS gemeinsame Sache machen.

Sehr aufmerksam beobachtet wird die Entwicklung in der Türkei. Kämpfer der ISIS haben gestern das türkische Generalkonsulat in Mossul gestürmt und mehrere Dutzend Geiseln genommen. Die Türkei hat deshalb bereits Beratungen mit ihren NATO-Partnern aufgenommen, warnt der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu: "Wenn unseren Bürgern und unseren Mitarbeitern etwas angetan wird, wird das nicht ohne Antwort bleiben. Niemand sollte versuchen, die Stärke der Türkei herauszufordern."

Das irakische Parlament will am Nachmittag den Ausnahmezustand verhängen. Das allein wird den Vormarsch der ISIS aber kaum stoppen können.

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