Griechenland: Neuer Staatsrundfunk on air

Seit rund einem Monat hat Griechenland offiziell wieder einen Staatsrundfunk. 2013 schloss die griechische Regierung den einzigen öffentlich-rechtlichen Sender, später ging ein Interimskonstrukt mit einem Rumpfprogramm auf Sendung.

Mittagsjournal, 12.6.2014

Aus Griechenland

Neuer Sender "komplett auf Regierungslinie"

Rückblende: Es ist der Abend des 11. Juni 2013. Der Abend, an dem ERT-Anchorwoman Elli Stai die Abschaffung ihres eigenen Arbeitgebers live on air verkündet: "Die Regierung", so der Opener ihres Nachrichtenmagazins, "schließt die ERT per Rechtsverordnung". Besagte Regierung fand damals handliche Argumente für die coup-artige Schließung: Die ERT sei ein Sündenpfuhl und ein Hort der Günstlingswirtschaft gewesen. Dabei unterschlägt die Regierung, dass sie kein Jahr zuvor selbst gut zwei Dutzend Parteifreunde mit Posten versorgt hatte. Das andere Argument lautet Verschwendung, auch dieses wird bald entkräftet: Die ERT war profitabel, die Gewinne flossen zurück in den Staatshaushalt. Weshalb also musste der Sender geschlossen werden?

Der Dokumentarfilmer Giorgos Avgeropoulos zählt eine ganze Reihe von Gründen auf: Unter anderem ging es um die politische Kontrolle. "Bei der ERT gab es trotz aller Gängelung kleine Freiräume. Regierungsvertreter haben damals kritisiert, dass die ERT die Austeritätspolitik der Premiers nicht voll unterstützt", so der Filmemacher. Das tut nun der neue Sender: Er sei komplett auf Regierungslinie.

Einschränkungen in ganz Europa sichtbar

Giorgos Avgeropoulos hat das Ende der ERT als Teil einer größeren Dokumentation über die Krise in Griechenland festgehalten. Dann hat er sich entschieden, den Ereignissen vom 11. Juni einen eigenen Film zu widmen. "Ich wollte den Fokus weiten: Ich wollte anhand der Schließung die Hypothese untersuchen, dass die Demokratie in einer Krise das erste Opfer ist. Das zweite ist dann die Information." Die öffentlich-rechtliche Information sei ein demokratisches Gut, leider gebe es aber in ganz Europa Versuche, die öffentlich-rechtlichen Sender einzuschränken. "Neu ist das nicht, auch Carlos Menem wollte im Argentinien der Krise den öffentlich-rechtlichen Rundfunk privatisieren oder schließen, was ihm am Ende aber nicht gelungen ist", sagt Avgeropoulos.

Auch die ehemalige Belegschaft der ERT in Griechenland hat sich gewehrt. Bis heute sendet ein Teil der Belegschaft weiter im Internet, doch ein Jahr später ist bei vielen der Wille zum Widerstand gebrochen. Beim Nachfolgesender NERIT, der seit nunmehr einem Monat auf Sendung ist und der mit einem absoluten Minimum an Personal auskommt, sind nur wenige der ehemaligen ERT-Leute untergekommen. Die meisten, die vor genau einem Jahr aus dem Fernsehen vom Ende ihres Senders erfuhren, sind heute arbeitslos.

Mit NERIT wollte man einen Sender nach Zuschnitt der BBC schaffen: unabhängig und seriös. Bislang schuldet der neue Rundfunk NERIT diesen Beweis noch. Kritiker bemängeln, der Staatsrundfunk heute sei gegängelter als jemals zuvor.

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