F: Roma fürchten zunehmenden Rassismus

In Frankreich ist gestern ein neuer Fall von Gewalt gegen Roma an die Öffentlichkeit gekommen: Im Pariser Vorort Perfitte sur Seine ist ein 16-jähriger Roma von einem aufgebrachten Mob zusammengeschlagen worden. Der junge Mann liegt seitdem im Koma. Französische Menschenrechtsorganisationen warnen, dass der Rassismus gegen Roma in Frankreich stark zunimmt.

Mittagsjournal, 17.6.2014

Aus Paris

Schwer verletzt aufgefunden

Es waren rund zwölf Männer, die den jungen Roma am Freitag in einem Romalager in der Pariser Vorstadt Perfitte sur Seine gesucht und gezwungen hatten, mit ihnen mitzukommen. In einem Keller schlugen sie brutal auf ihn ein. Am Abend wurde der 16-Jährige dann von Polizisten gefunden: bewusstlos und schwer verletzt in einem Einkaufswagen neben einer Autobahn.

Es seien Bewohner aus Perfitte sur Seine gewesen, die den jungen Roma beschuldigt haben, bei ihnen eingebrochen zu haben, sagt der Bürgermeister der Gemeinde, Michel Fourcade: "Ich weiß nicht genau, wer an diesem Angriff beteiligt war, aber es waren Bewohner aus der Gegend." Viele Menschen, die er in den letzten Wochen getroffen habe, hätten sich immer wieder über Einbrüche und zerkratzte Autos beschwert, so der Bürgermeister.

Romagruppe fluchtartig verschwunden

Laut Angaben der Polizei, sei der junge Roma bereits mehrfach wegen Diebstahls angezeigt worden. Er war gemeinsam mit rund 200 weiteren Roma vor rund drei Wochen in der Gemeinde angekommen, nach dem Angriff auf den 16-Jährigen sind sie alle fluchtartig verschwunden. Spielzeug, Matratzen, Kleidung liegen im verlassenen Lager noch herum. "Das ist doch ein Jammer", sagt ein rumänischer Bewohner von Perfitte sur Seine, "bevor die Roma gekommen sind, war alles sauber, und dann gab es Probleme."

Für die französische Menschenrechtsorganisation SOS Rassismus ist der Angriff auf den Jugendlichen ein Zeichen dafür, dass in Frankreich das Bild, das die Bevölkerung von den Roma hat, immer schlechter wird, sagt Aline Le Bail-Kremer von SOS Rassismus. "Das Klima ist sehr angespannt, die rassistischen Klischees gegenüber Roma nehmen zu." Die jüngste Attacke sei Ausdruck eines Problems, das es seit Monaten gebe und die Roma stigmatisiere und sie zu Opfern von Gewalt mache, so Le Bail-Kremer.

Aktivisten kritisieren Politik

Erst im Mai hat eine Veröffentlichung in der französischen Tageszeitung Liberation für Schlagzeilen gesorgt: In einem internen Schreiben der Polizei des sechsten Arrondissements wurden die Beamten aufgefordert, Romafamilien systematisch aus dem Bezirk zu vertreiben. "Die Beziehungen zwischen Polizei und Roma sind schwierig, aber die Politik tut nichts um das Problem zu lösen, die Menschen werden ihrer Armut überlassen", meint Aline Le Bail-Kremer. "Es gibt keine konstruktiven, friedlichen Lösungen. So kann es nicht funktionieren."

Der Gesundheitszustand des jungen Roma, der in Perfitte sur Seine zusammengeschlagen worden ist, ist nach wie vor kritisch: Er liegt seit Freitag im Koma.