Caritas fordert neues Asylrecht

Weltweit sind derzeit mehr als 45 Millionen Menschen auf der Flucht. So viele, wie in den vergangenen 20 Jahren nicht mehr. Immer mehr Flüchtlinge versuchen über gefährliche Wege nach Europa zu gelangen, etwa über das Mittelmeer oder die Ägäis. Heftige Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik üben Caritas und Amnesty International.

Mittagsjournal, 18.6.2014

Dublin-System ist tot

Europa gleicht heute einem riesigen Verschiebebahnhof, wo Menschen gelagert und von einem Land in das nächste Land transportiert werden, sagt Caritas-Präsident Michael Landau. Damit meint er das Dublin-System, wonach Flüchtlinge in dem Land um Asyl ansuchen müssen, wo sie die EU zum ersten Mal betreten haben. "Das Dublin-System ist de facto tot. Die Länder an den Außengrenzen Europas sind überfordert, die Flüchtlinge werden sich selbst überlassen und ganze Asylsysteme brechen zusammen", sagt Landau.

Ein Mensch pro 5.000-Einwohner-Gemeinde

Überforderte Staaten würden die Flüchtlinge mit Freifahrscheinen in den Zug setzen, so Landau. Italien werde mit der Rettung von Menschen, die auf der Flucht in Seenot geraten, im Stich gelassen. Die Mitgliedsstaaten der EU ließen Flüchtlinge zu Hunderten und Tausenden im Mittelmeer ertrinken, kritisiert der Caritas-Präsident.

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International, rechnet vor: "Italien bekam 2013 23 Millionen Euro für Mare Nostrum. Das sind lächerliche 4,6 Cent pro EU-Einwohner. Griechenland hat immerhin 82 Millionen Euro bekommen, das sind großzügige 16 Cent, und leistet dafür nichts, außer Menschen brutal in das Meer zurück zu treiben". Selbst wenn man alle 100.000 Menschen, die vermutlich heuer über das Mittelmeer kommen werden, in Europa unterbringen würde, wäre das gerade mal ein Mensch pro 5.000-Einwohner-Gemeinde, sagt Patzelt. "Da schauen wir lieber zu, wie Menschen elendiglich ersaufen."

Reform des Dublin-Systems

Das Dublin-System müsse reformiert und die Asylverfahren gerecht unter den Ländern aufgeteilt werden. Darauf müssten auch österreichische Politiker pochen. Ob Flüchtlinge in der EU Asyl bekommen oder nicht, hänge derzeit davon ab, in welchem Land sie um Asyl bitten, kritisiert Landau. Die Schutz- und Anerkennungsquoten schwanken laut UNHCR zwischen 14 und 79 Prozent. "Während in Belgien mehr als jedem zweitem Asylwerber aus Afghanistan Schutz gewährt wurde, hatte in Vereinigten Königreich nur jeder zehnte Afghane die Chance auf ein neues Leben", sagt Landau. Die Schutzgewährung eines Menschen dürfe nicht davon abhängen, in welchem Land er um Schutz ansuche.

Caritas und Amnesty fordern klare, vergleichbare Verfahrensstandards in allen EU-Mitgliedsländern. Ihren Appell richten sie an die Staats- und Regierungschefs der EU, die Ende nächster Woche in Brüssel zusammentreffen.

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