Nachbetrachtung zu Erdogan-Auftritt in Wien
Im Vorfeld hatte der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Wien viel Staub aufgewirbelt. Gestern war es soweit: In der Albert Schultz-Eishalle und davor jubelten tausende Türken "ihrem" Ministerpräsidenten, wie sie ihn nennen, zu. Bei der Demonstration von Erdogan-Gegnern gab es zwar kleinere Handgemenge, aber auch sie verlief ohne große Zwischenfälle.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 20.6.2014
Proteste weitgehend friedlich
Fast streichelweich hat sich der türkische Ministerpräsident gestern gegeben. Geschickt hat er seine Anhänger begeistert: "Ich stehe hinter euch, ich bin stolz auf euch, und auch ihr könnt stolz auf euch sein", hat er immer wieder gesagt. Aber auch mit den Kritikern hat er abgerechnet, mit den Oppositionsparteien in der Türkei und mit den Medien, den deutschen und den österreichischen, "die immer so negativ über mich berichten". Bei den 14.000 Fans ist das gestern gut angekommen - was in den Medien über Erdogan steht, stimme sowieso alles nicht, haben sich viele beschwert. Auch einige tausend Erdogan-Gegner waren gestern auf der Straße, nach der Aufregung vor dem Besuch ist aber alles friedlich verlaufen, es gab einige kleinere Zwischenfälle.
Spagat der Integrationspolitik
Von vielen Jugendlichen hört man den Satz: "Wir sind so stolz: Erdogan besucht uns hier und zeigt uns, dass wir ihm etwas wert sind." Und das ist einer der Kernpunkte der Debatte: Viele sind hier geboren und aufgewachsen, und sind trotzdem nicht hier zuhause. Man kann lange darüber streiten, woran das liegt.
Mehr Wertschätzung von den Politikern hier wünschen sich viele, auf der anderen Seite gibt es die Kritiker, die gerade zugewanderten Türken vorwerfen, dass sie sich nicht integrieren wollen. Die Kunst einer guten Integrationspolitik ist es eben, diesen Spagat zu schaffen.
Auch in Deutschland, wo die Erdogan-Besuche schon Tradition haben, war die Anspannung vor dem Auftritt im Mai ziemlich groß. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Erdogan ausgerichtet, er solle sich bei seiner Rede zurückhalten. Und auch bei uns hatte man den Eindruck, einige Politiker wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Allerdings zeigt ein Blick auf die Zahlen, dass es in Österreich rund 180.000 Menschen türkischer Herkunft gibt. Und nur knapp 14.000 haben Erdogan gestern gefeiert. Also sind viele, die es hätte interessieren können, gar nicht hingegangen.