Politologe: "Putin hat kein Interesse an Chaos"
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die Waffenruhe ausgerufen, Russland-Anhänger wollen davon aber, wie es scheint, nichts wissen. Ob Poroschenko mit seinem Friedensplan durchkommt, hängt aber in erster Linie davon ab, ob er mit der russischen Führung ins Gespräch kommt, meint Kiewer Politologe Konstantin Bondarenko - und da sieht er die Chancen gar nichts so schlecht. Denn auch Putin und seine Leute könnten kein Interesse daran haben, dass die Ukraine im Chaos versinkt.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 21.6.2014
Separatisten könnten Verbündete werden
So verfahren die Lage im Osten der Ukraine wegen der anhaltenden Kämpfe auch aussehen mag, man dürfe nicht übersehen, dass parallel dazu schon verhandelt werde, sagt Konstantin Bondarenko, Direktor des Instituts für Ukrainepolitik in Kiew. "Petro Poroschenko hat klar gemacht: Er ist bereit mit Putin zu reden. Die beiden haben nun auch schon ein paar Mal miteinander telefoniert." Poroschenko tue alles, um die Beziehungen zu Russland zu normalisieren, aber eben nicht um jeden Preis, sagt Bondarenko.
Territoriale Zugeständnisse an Russland kommen für ihn sicherlich nicht in Frage. Wichtig seien in den Verhandlungen mit Moskau derzeit jedenfalls die lokalen Separatistenführer, so Bondarenko. Diese reisen derzeit äußerst rege zwischen der Ostukraine, Kiew und Moskau hin und her. "Es ist ja nicht völlig auszuschließen, dass unter all den Anführern einer dabei ist, der zu einem Verbündeten Kiews werden könnte." Es habe sich in anderen Fällen ja auch gezeigt, dass ehemalige Separatisten letztlich dann mit der Zentrale zusammenarbeiten.
Zugeständnisse für alle Regionen nötig
Kiew müsse aber auf jeden Fall Zugeständnisse an die Regionen machen, ist Konstantin Bondarenko überzeugt. Wie auch immer diese dann aussehen mögen: Dezentralisierung oder Föderalisierung. "Es gibt verschiedene Varianten, wie das aussehen könnte. Mehr Finanzhoheit für die Regionen, dass man über einen Teil der Steuergelder verfügen kann, dazu noch regionale Kulturprogramme und dergleichen. Aber eben nicht nur für die Ostukraine, sondern für alle Regionen", meint Bondarenko.
Für Präsident Poroschenko wird dies aber einer Gratwanderung gleichkommen. Zu sehr dürfe er nämlich den Separatisten nicht entgegenkommen, denn sonst würde ihm das von den eigenen Wählern als Weichheit ausgelegt. In Russland werde sich indes längerfristig ein gewisser Pragmatismus durchsetzen. Ein ewiger Streit mit der Ukraine könne nicht im Interesse von Moskau sein, meint Bondarenko, dafür seien die beiden Länder wirtschaftlich zu sehr verbunden.
Beziehungen über Wirtschaft definieren
"Putin will auf keinen Fall eine zerstörte Ukraine vor der Haustür, er will aber eine Ukraine, die nicht völlig unter den Einfluss der USA kommt", sagt Bondarenko. Für Russland sei die Ukraine wirtschaftlich sehr wichtig. Immerhin ist der Warenaustausch zwischen beiden Ländern im Vorjahr bei 34 Milliarden Dollar gelegen, das ist so viel wie zwischen den USA und Russland. Für Russland ist deshalb die Ukraine nach Deutschland und den Niederlanden drittwichtigster Handelspartner.
Die Beziehungen zwischen Russland und Ukraine müssten sich verstärkt über den Wirtschaftsaspekt definieren, meint der Politologe abschließend. Die Wirtschaft muss hier die Politik, die Ideologie dominieren und nicht umgekehrt.