Manipulation im Fußball

Schattenspiele

Brett Forrests Buch "Schattenspiele" erzählt über das Ausmaß der Manipulation, was der Weltfußballverband FIFA dagegen unternimmt – bzw. nicht unternimmt -, sowie über die schillernden Figuren, die hinter den Kulissen die Spiele manipulieren und Millionen an Wettgewinnen absahnen.

Man muss kein gevifter Fußballfan sein, um eines zu wissen: Fußball ist kein Spiel, wo besonders viele Tore fallen. Einem Redakteur des Sportmagazins "ESPN" und dem Reporter Brett Forrest fiel etwas auf: Mehrere internationale Freundschaftsspiele mit ungewöhnlichen Torergebnissen wie etwa 10 zu 1, oder 7 zu 0.

"Als erstes rief ich Chris Eaton an, den damaligen Sicherheitschef des Weltfußballverbands FIFA an", so Brett Forrest. "Er öffnete mir wirklich die Augen, was hier vor sich ging. Mit welcher Unverfrorenheit Kriminelle Fußball auf so gut wie jeder Ebene infiltriert hatten.

Internet öffnet Tür und Tor

Dass beim Fußball manipuliert wird, sei, so Brett Forrest, nicht sooo ungewöhnlich, denn Spiele werden geschoben, seit es Spiele gibt. Doch dank dem Internet konnte sich der Fußballwettmarkt in den letzten zehn Jahren global entwickeln. Gleichzeitig boomte die Wirtschaft in Asien, wo Gambling höchst beliebt ist. Es flossen also Millionen in den neuen Wettmarkt. Und dieser hatte außerdem neue, attraktive Wettvarianten anzubieten.

"Früher hat man seine Wette vor dem Spiel abgegeben. Dann hat man sich zurückgelehnt und zugeschaut", so Forrest. "Hatte man auf die falsche Mannschaft gesetzt, blieb nichts übrig, als den Wettschein frustriert zu zerreißen. Doch nun kann man während des Spiels, in Echtzeit, wetten. Die Buchmacher publizieren die Quoten laufend, denn verschiedene Variable ändern sich ja von Minute zu Minute."

Angefixt

Nun ist es eine vergleichsweise einfache Sache, den Ausgang eines Boxkampfes zu manipulieren. Es gibt ja nur zwei Sportler. Man besticht eben einen von beiden. Die Fußball-Fixer – also diejenigen, die den Spielausgang manipulieren – haben es auf alle abgesehen: Schiedsrichter, Trainer und natürlich die Spieler.

"Die Fixer sind von der Persönlichkeit her gesellige Leute. Und sie haben Taschen voller Geld", meint Forrest. "Sie laden Spieler in Nachtklubs ein. Sie schleusen sich nach und nach in das soziale Leben der Spieler ein. Der Fixer wird vom Anhängsel der Gruppe zum Freund. Vielleicht bekommt er mit, dass ein Spieler in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Er bietet an: Ich kann dir helfen. Wenn du mir diesen einen Gefallen tun kannst... So fängt es an."

Bei diesem einen Gefallen bleibt es nicht. Der Spieler gewöhnt sich bald an ein regelmäßiges, fünfstelliges Taschengeld. Wenn die gegenseitig nützliche Beziehung sich harmonisch entwickelt, empfiehlt der Spieler den Fixer vielleicht weiter.

Das ungeschriebene Gesetz der Diskretion

Als einer der erfolgreichsten Betrüger gilt Wilson Raj Perumal, ein in Singapur geborener Tamile. Zu dumm für Perumal, dass er keine Lust hatte, den braven Befehlsempfänger für ein Syndikat in Singapur zu spielen. Er kochte lieber seine eigenen Manipulationssüppchen mit dem Geld seiner Vorgesetzten. Er hielt sich auch nicht an das ungeschriebene Gesetz der Diskretion. Wilson Perumal postete auf seiner facebook-Seite Fotos von sich in Gesellschaft von Fußballspielern. Seine Auftraggeber in Singapur hatten schließlich genug. Bei der finnischen Polizei landete eine Anzeige, Perumal reise mit einem gefälschten Pass. Der Fixer wurde prompt verhaftet.

Perumal war bald klar, wer ihn verraten hatte. Er schwor Rache. Und packte aus. "Er gab einem prominenten Journalisten aus Singapur ein Interview, und so zog seine Geschichte ihre Kreise", erzählt Forrest. "Wilson Perumal machte genau, was er angedroht hatte: Er öffnete die Büchse der Pandora. Dass nun einer der notorischsten globalen Fußballmatch-Fixer auspackte, das interessierte alle."

Sein größter Coup

Nach der Haft in Finnland wurde Perumal nach Ungarn überstellt, wo die Behörden an ihm als Zeuge gegen eine Wettmafia im eigenen Land interessiert waren. Perumal war eine Weile auf freiem Fuß. Und diese nützte er. Über den halben Erdball hinweg organisierte er einen seiner größten Coups. Und zwar mithilfe eines Trainers, mit dem er seit Jahren in Kontakt war.

"Der Trainer wandte sich an die Klubbesitzer in Australien und legte seine Bilanz als Coach vor", so Forrest. "Die Besitzer fanden das sehr eindrucksvoll und meinten: OK, aber was seien seine Gehaltsvorstellungen? Und der Trainer darauf: Er wolle kein Gehalt. Er wolle nur seine Spieler zu den Southern Stars mitnehmen können. Und so unfassbar es klingt: Den Klubbesitzern kam das gar nicht merkwürdig vor und sie heuerten den Trainer an."

Das australische Team, die Southern Stars, waren eine Halbprofimannschaft. Sportradar, eine Organisation, die den Sportwettenmarkt überwacht, informierte den australischen Fußballverband über zwielichtige Wetten auf Spiele mit den Southern Stars. Der Verband schaltete die Polizei ein. Wie Brett Forrest beschreibt, waren die Behörden in ihren Methoden recht erfinderisch:

Geld scheffeln statt aufräumen

Brett Forrest kritisiert den Weltfußballverband FIFA. Dessen Funktionäre seien zu sehr damit befasst, Geld zu scheffeln, statt dafür zu sorgen, dass der Sport sauber bleibt. Man müsse die Syndikate infiltrieren, um zu wissen, welche Fixer es auf welche Mannschaften abgesehen haben. Andernfalls prophezeit der Autor Folgen für den Sport an sich:

"Ich habe jetzt bei der Weltmeisterschaft in Brasilien so wie viele Fans auf der Welt zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen in den ersten Spielen gesehen. Ich glaube nicht, dass Schiebung vorlag. Was ich wirklich kriminell finde, ist, dass Fans bei einem solchen Spiel nun Zweifel kommen. Auch dann, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Fans verlieren den Glauben an die Ehrlichkeit des Spiels."

Service

Brett Forrest, "Schattenspiele. Das Milliardengeschäft mit manipulierten Fußballergebnissen", aus dem Amerikanischen übersetzt von Berni Mayer, Nicole Hölsken, Olaf Bentkämper, Heyne Verlag