Auch Georgien nimmt Kurs Richtung EU
Auf dem Gipfel in Brüssel werden morgen noch zwei ehemalige Sowjetrepubliken einen großen Schritt in Richtung Europäische Union machen, nämlich die Republik Moldau und Georgien: Auch sie werden Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnen.
8. April 2017, 21:58
In Georgien war die Nervosität in den vergangenen Wochen und Monaten deswegen groß: Das Beispiel Ukraine vor Augen, fürchtete man in Tiflis eine ablehnende bis aggressive Reaktion Moskaus. Eine ähnliche traumatische Erfahrung hat das Land ja bereits 2008 gemacht, als es zu einem kurzen Krieg mit Russland kam.
Mittagsjournal, 26.6.2014
"Wir leben und leiden mit Ukraine"
Was in Kiew der Majdan, ist in Tiflis der Meidan: Der Platz in der Altstadt ist ein beliebter Treffpunkt; in den vergangenen Monaten haben hier auch immer wieder Solidaritätskundgebungen für die Ukraine stattgefunden. In einem der zahlreichen Lokale auf dem Meidan sitzt Lasha Tugushi von der europafreundlichen NGO-Plattform Liberal Academy Tbilisi. Die Ukraine-Krise habe großen Einfluss auf Georgien, meint er: "Wir haben dadurch noch besser verstanden, dass es ernste Gefahren für uns gibt und dass wir die EU-Integration noch stärker forcieren müssen. Unsere ausgezeichneten Handelsbeziehungen zur Ukraine leiden unter der Krise. Und auch moralisch hat der Konflikt Auswirkungen: Wir leben und leiden sehr mit, das ukrainische Volk ist uns nahe. Wir hoffen, dass die kriegerischen Handlungen bald aufhören."
Ziel EU und NATO
Die Angst vor dem mächtigen Nachbarn im Norden ist weiterhin groß, der kurze Krieg mit Russland vor knapp sechs Jahren hat Spuren hinterlassen. Seither sind die autonomen Regionen Abchasien und Südossetien und somit 20 Prozent des Territoriums nicht mehr unter georgischer, sondern unter russischer Kontrolle. Tiflis strebt seither noch stärker als vorher in Richtung Westen. Das erklärte Ziel der alten wie auch der neuen Regierung ist die Mitgliedschaft in EU und NATO, sagt Vizeaußenminister David Zalkaliani: "Wir wollen so bald wie möglich Teil der EU sein. Das ist aber ein langer Prozess. Das Assoziierungsabkommen wird uns dabei helfen, ihn zu beschleunigen. Wir haben großen Modernisierungsbedarf, in der Wirtschaft und auch bei den staatlichen Institutionen. Durch das Abkommen werden wir uns an europäische Strukturen und Standards annähern."
Kein Störfeuer aus Moskau
Weiters erhofft sich Georgien durch das Freihandelsabkommen Zugang zum europäischen Markt, mehr Investitionen ausländischer Firmen und einen Wirtschaftsaufschwung- auch wenn die Handelsbeziehungen mit Russland darunter leiden könnten. Die Mehrheit der georgischen Bevölkerung steht hinter diesen Plänen, so zum Beispiel ein Bauer in der ostgeorgischen Provinz Kachetien: "Wir haben in der Sowjetunion gelebt, da waren die Grenzen zu. Jetzt können wir raus und sehen, dass es anderswo besser ist. Diesen Weg wollen wir auch wählen."
Doch es gibt auch viele, die zu mehr Ausgewogenheit mahnen, so ein Bauarbeiter in Zentralgeorgien: "Georgien ist heute kein Pulverfass mehr. Die Beziehungen zu Russland entwickeln sich ganz gut. Wir brauchen ein gutes Verhältnis zu Russland, den USA und Europa. Wir sind ein kleines Land."
Die befürchteten Störfeuer aus Russland vor der morgigen Unterzeichnung sind bisher jedenfalls ausgeblieben - möglicherweise ist Moskau derzeit zu sehr mit der Ukraine beschäftigt.