Kampf gegen sexuelle Gewalt in Ägypten
Der neue Präsident Ägyptens, al-Sisi, will das langjährige Problem der sexuellen Belästigung von Frauen bekämpfen. Er besuchte ein Opfer im Krankenhaus, und es hagelt Verurteilungen von mutmaßlichen Tätern. Das Aufgreifen eines Tabuthemas durch die ägyptische Regierung muss aber mehr als kritisch betrachtet werden
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.6.2014
Liza Ulitzka aus Kairo
Journalisten willkommen
Es ist ein Schauprozess im wörtlichen Sinne, der da am vergangenen Mittwoch am Gericht in Neukairo über die Bühne geht. Sogar Aufnahmegeräte und Mikrofone von Journalisten dürfen am Richterpult platziert werden. Elf junge Männer sind wegen sexueller Übergriffe und Vergewaltigung angeklagt. Sie sollen diese Taten Anfang Juni dieses Jahres während der Feiern zu Präsident Abdel Fattah al-Sisis Wahlsieg am Tahrir-Platz begangen haben. Es ist der erste Prozess, der Massenvergewaltigung bei Demos behandelt. Der Richter fragt: "Niemand von Ihnen hat diese Verbrechen Entführung, Einschüchterung, Raub, Folter, Vergewaltigung, und das Tragen von leichten Waffen begangen?" Antwort der Angeklagten: "Nein Herr Richter das ist ungerecht." - "Ich habe nichts von dem getan, was da geschrieben steht, Herr Richter!"
Die Anklage, mit denen der Richter die jungen Männer konfrontiert, ist immer gleich, obwohl es verschiedene Fälle sind. Auch solche, die während der Demonstrationen zum Jahrestag der Revolution im letzten Jahr passiert sind. Shabaan Awad Ali vertritt zwei der jungen Männer und beklagt schwerwiegende Mängel: "Laut den Dokumenten und den Ermittlungen behauptet das Opfer, dass sie vergewaltigt wurde. Die medizinische Forensik besagt aber, dass es keine Spuren eines sexuellen Übergriffs gab." Die Aussagen des Opfers seien zudem widersprüchlich kritisiert der Anwalt.
"Nicht ernst zu nehmen"
Schwere und mindere sexuelle Übergriffe werden im Moment in Ägypten streng geahndet. Rana Allam ist Chefredakteurin der englischsprachigen Zeitung "Daily News Egypt" und sie hält das alles für eine reine Propaganda-Show: "Nichts, was in diesen Tagen in den Gerichten abläuft, kann ernst genommen werden. Wenn man die Anklagepunkte von Beschuldigten liest, sei es wegen Demonstrierens, wegen angeblicher Verbreitung falscher Information oder wegen sexueller Belästigung, sieht man, dass diese Anschuldigungen alle politisiert sind. Und das ist ein Teil davon. Die Regierung will den Anschein erwecken, dass es eine richtige Anti-Belästigungs-Kampagne gibt. Aber die Wirklichkeit ist das genaue Gegenteil davon."
Polizei ausgenommen
Rana Allam kritisiert, dass nichts von den Reformvorschlägen und härteren Strafmaßnahmen für Sexualverbrecher, die bereits von vergangenen Regierungen angekündigt wurden, jemals umgesetzt wurden. Deswegen hält sie auch von dem vor kurzem verschärften Gesetz zur Bestrafung sexueller Gewalt nichts. Denn das Problem liege ganz wo anders: "Unser Problem beginnt mit den Sicherheitskräften und wie die mit sexueller Belästigung umgehen. Erst muss gesichert werden, dass Polizeistationen und Gefängnisse frei von sexuellen Übergriffen sind. Wenn es immer Straffreiheit für sexuellen Missbrauch gibt, der von Angehörigen des Sicherheitsapparates begangen wurde, wird das auch immer den Leuten auf der Straße die Freiheit geben, Frauen zu belästigen."
Bei der Gerichtsverhandlung vom Mittwoch sind auch viele der betroffenen Frauen anwesend, um endlich Gerechtigkeit dafür zu bekommen, was ihnen angetan wurde. Nur kommen bei dem Verfahren berechtigte Zweifel auf, ob die wirklichen Opfer auch vor den wahren Tätern stehen.