US-Außenminister Kerry vermittelt in Afghanistan

Es war die große Hoffnung der USA: 13 Jahre nach Beginn des Afghanistankrieges soll ein neuer afghanischer Präsident das Land aus der Krise leiten und damit auch den lang ersehnten Abzug der amerikanischen Truppen ermöglichen. Doch zwischen den beiden afghanischen Präsidentschafts-Kandidaten ist ein erbitterter Machtkampf ausgebrochen. US-Außenminister John Kerry ist zu Vermittlungsgesprächen nach Kabul gereist.

Mittagsjournal, 11.7.2014

Kontakt zu beiden Kandidaten

Afghanistan befinde sich in einem kritischen Moment des Übergangs, sagt US-Außenminister John Kerry kurz vor seiner Reise nach Kabul: "Wir hoffen, dass sich in den kommenden Tagen, am besten sehr bald, ein Weg finden lässt, damit Afghanistan gestärkt in die Zukunft gehen kann". Die USA würden keinen der beiden Präsidentschaftskandidaten explizit unterstützen, beteuert Kerry. Er stehe mit beiden in Kontakt, und beide werde er heute persönlich treffen. "Ich fordere beide Kandidaten auf, die Erwartungen ihrer Anhänger zu drosseln und einander öffentlich Respekt zu zollen. Sie sollten sich wie Staatsmänner verhalten und Führungsqualität beweisen, in einer Zeit, in der Afghanistan das dringend braucht", sagt Kerry.

Afghanistan an den "Klippen eines Abhangs"

Das allerwichtigste sei nun, dass Afghanistan einen legitimen Präsidenten finde, einen, den die Bevölkerung anerkennt, sagt Bruce Riedel, Afghanistan-Experte am Brookings Institut in Washington DC. Doch die Vorwürfe des Wahlbetrugs hätten schon jetzt Schaden angerichtet. "Es ist schwer zu glauben, dass 6,8 Millionen Menschen im ersten Wahldurchgang gewählt haben und 8,2 Millionen im zweiten. Das wäre die größte Mobilisierung in der Geschichte des Landes. Das ist nicht glaubwürdig", so Riedel.

Schon jetzt sei das Vertrauen der Afghanen in die beiden Kandidaten erschüttert, sagt Riedel. Unruhen, angedrohte Parallelregierungen - die Situation lasse erahnen, was sich sonst noch alles abspielen könnte. "Diese Wahl stellt Afghanistan auf die Klippen eines Abhangs", sagt Riedel. "Wenn es die beiden Kandidaten nicht schaffen, sich auf die Präsidentschaft zu einigen, würde es mich nicht wundern, wenn dieses Land zerbricht."

Dann wären alle Bemühungen der USA umsonst gewesen, so der düstere Ausblick des Afghanistan-Experten: "Die Obama Regierung muss sich jetzt hundertprozentig um diese Situation kümmern. Was auch immer man von den bisherigen Aktionen Obamas in Afghanistan hält, eine Katastrophe ähnlich jener, die derzeit im Irak passiert, wäre das das Ende seiner Außenpolitik.

Obama droht Unterstützung zu kürzen

Für die Amerikaner steht viel am Spiel. Das vieldiskutierte Sicherheitsabkommen, das auch nach dem Abzug der US-Truppen amerikanische Präsenz erlauben würde, ist noch nicht unterschrieben. Die Angst sei groß, dass Afghanistan ins Chaos stürzt, sagt Daniel Serwer, Afghanistan Experte an der Johns Hopkins Universität in Washington DC: "Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar enorme Fortschritte gemacht. Aber die Amerikaner spielen weiterhin eine wichtige Rolle hinter den Kulissen". Sie würden etwa Logistik, Information und medizinische Betreuung gewährleisten. Das könne man nicht einfach von heute auf morgen abdrehen.

Die Drohung von US-Präsident Obama, Afghanistan die finanzielle Unterstützung zu streichen, sei daher keine gute Idee sagt Serwer: "Das ist eine dieser Dinge, die man androht, aber besser nicht wahrmacht. Denn das Schlüsselelement unserer Unterstützung ist die Bezahlung der Sicherheitskräfte. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Afghanistan lange ohne diese Unterstützung durchhalten können wird." Statt zu drohen, sollten die Amerikaner vermitteln. Je schneller die Afghanen einen Präsidenten haben, desto schneller können die Amerikaner das Land verlassen.