Ostukraine: Geisterstadt Marinka

In der Ostukraine flüchten immer mehr Menschen vor den Kämpfen zwischen der Armee und den pro-russischen Kämpfern. Besonders heftig sind diese Kämpfe in der Stadt Lugansk ganz im Osten. Aber auch in den Vororten von Donezk wird schon geschossen, ganze Viertel gleichen Ruinen. Eine Reportage aus Marinka, 30 Kilometer außerhalb vom Zentrum von Donezk.

Morgenjournal, 15.7.2014

Aus Marinka bei Donezk berichtet

Ohne Strom und Wasser

Abgesehen von einer Straßensperre an der Einfahrt sind in Marinka nur wenige Rebellen auszumachen. Deutlich sichtbar sind aber die beträchtlichen Zerstörungen, die der Artilleriebeschuss in diesem Wohnviertel angerichtet hat. Ganze Wohnungen wurden in Trümmer gelegt, die Mauern stürzten teilweise ein, Splitter liegen auf der Straße, Häuser sind teilweise ausgebrannt. Die wenigen Einwohner, die geblieben sind, stehen vor dem Nichts. Eine ältere Frau bringt es auf den Punkt: "Wir haben weder Licht, Gas noch Wasser; wir haben gar nichts."

Nutzwasser gibt es hier noch, das die Bewohner abkochen oder zum Waschen verwenden. Dreißig Personen sollen durch den Beschluss getötet worden sein; eine Bestätigung dieser Zahl ist nicht zu bekommen. Dazu sagt Sergej, der mit der Hand auf eine völlige zerstörte Wohnung, in hundert Meter Entfernung deutet: "Die genaue Zahl kenne ich nicht; doch ich weiß, dass dort zwei starben, eine Frau und ein Mann." Und wer hat mit der Artillerie geschossen? Sergej weiß es nicht: "Die einen sagen, die Ukrainer, die anderen sagen, die Separatisten, mir ist das unklar."

Die Letzten fliehen

Das Feuer kam jedenfalls aus der Gegend, die in ukrainischer Hand ist. Sergej hat seine Familie bereits evakuiert; er kam zurück, um auf sein Eigentum aufzupassen, weil in der Stadt bereits Plünderer ihr Unwesen treiben sollen. Glück im Unglück hatte der 28-jährige Dimitrij. Die Wohnung, in der seine Mutter und Schwester lebten, blieb unversehrt. Die beiden Frauen flohen so überstürzt, dass sie sogar die Papageien zurückließen. Auch Dimitrij wird nicht lange bleiben: "Ich bin gekommen, um mit dem Auto alles wegzuführen, was ich wegbringen kann. Denn vielleicht beschießt man uns wieder. Auch die Papageien werde ich mitnehmen."

Nur die Feuerwehr aus dem Nachbarort hilft bei der Evakuierung. Die staatliche Ordnung ist zusammengebrochen, Polizei und Stadtverwaltung sind geflohen. Marinka mit seinen zehntausend Einwohnern gleicht einer Geisterstadt. Die Bank bewacht nur mehr ein Hund, und Kaffees und Geschäfte schließen. Still steht auch eine Viehfutterfabrik. Sie wurde zeitgerecht evakuiert, während die Bevölkerung ohne Warnung blieb. Doch 70 Personen sind nun arbeitslos, und nicht nur in Marinka werden auch die Schäden für Infrastruktur und Wirtschaft durch den Bürgerkrieg immer katastrophaler.