Neues Islamgesetz nach 100 Jahren
Mehr als 500.000 Musliminnen und Muslime leben in Österreich. Das Zusammenleben mit der Mehrheitsgesellschaft gilt im EU-Ländervergleich als vorbildlich. Der Islam ist in Österreich mit dem Islamgesetz von 1912 seit über 100 Jahren anerkannt. Doch dieses Gesetz ist in die Jahre gekommen. Ein überarbeitetes, neues Islam-Gesetz dürfte demnächst in Begutachtung gehen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 16.7.2014
Veraltetes Gesetz erneuern
Die Überarbeitung des Islamgesetzes aus dem Jahr 1912 sei überfällig sagt der Wiener Religions-Rechtsexperte Richard Potz. Denn das Gesetz noch aus der k.u.k. Monarchie sei völlig veraltet, damals sei es ausgelegt gewesen für gerade einmal 1000 Muslime: "Das Gesetz besteht aus fünf, sechs Artikeln und ist ganz rudimentär gewesen. Kein Vergleich mit den Inhalten von Konkordat, Protestanten-, Israeliten- oder Orthodoxengesetz."
Mittlerweile leben in Österreich etwa 500.000 Muslime. Im neuen Islamgesetz sollen viele Rechte und Pflichten von Muslimen erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Vieles lief bis jetzt in Form von Vereinbarungen und in Analogie mit der römisch-katholischen Kirche, wie zum Beispiel der islamische Religionsunterricht. Völlig neu per Islamgesetz verankert werden soll das bereits geplante Universitätsstudium "Islamische Theologie", auch für die Ausbildung künftiger Imame, also für Vorbeter in Moscheen. Für Richard Potz ist das unbedingt notwendig auch aus Gründen der Integration von Muslimen, denn: "Es kann ja nicht sein, dass nach mehreren Generationen die Leute immer noch Seelsorger haben, im Ausland ausgebildet werden."
Ebenso bisher überhaupt nicht eigens gesetzlich geregelt war die Seelsorge für Muslime in Krankenhäusern, Gefängnissen oder beim Militär - auch ein Punkt der sich unbedingt im neuen Gesetz finden müsse, so Potz - wie auch eine rechtliche Regelung für die Bestattung von Muslimen in Österreich, sowie eine Auflistung muslimischer Feiertage. Alles Forderungen und Wünsche, wie sie auch Carla Amina Baghajati, die Mediensprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft bestätigt.
Muslimen-Vertretung begrüßt Pluralismus
Bei der Erarbeitung des Neuen Islamgesetzes dürfte derzeit auch diskutiert werden, ob neben der Islamischen Glaubensgemeinschaft, der offiziellen Muslime-Vertretung, künftig vielleicht auch noch andere muslimische Gruppierungen unter das neue Islamgesetz fallen könnten, wie etwa die Islamisch-alevitische Glaubensgemeinschaft.
In der Vergangenheit haben einige kleinere muslimische Gruppierungen immer wieder den Alleinvertretungs-Anspruch der Islamischen Glaubensgemeinschaft als offizielle Muslime Vertretung in Österreich kritisiert - dass das neue Islamgesetz nun neben dieser vielleicht noch weitere muslimische Religionsgemeinschaften nennen könnte, sieht Carla Amina Baghajati, die Medienreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, gelassen. Auch deren Status als offizielle Muslime-Vetretung im Land, sieht sie dadurch nicht gefährdet und meint: "Für den Diskurs kann es sogar belebend und befruchtend sein, wenn hier noch weitere Stimmen mit hineinkommen."
Und generell meint Baghajati über ein künftiges, neu überarbeites Islam-Gesetz, ein solches würde einerseits die Identität der Muslime als österreichische Muslime stärken und andererseits helfen, "das Bewusstsein zu schärfen: Muslime sind angekommen, sie sind Teil dieses Landes."
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