EU: Kein Kompromiss mit der Schweiz

Die Europäische Union will die Freizügigkeit der Personen mit der Schweiz nicht neu verhandeln. Das geht aus einem Brief hervor, den EU-Außenpolitikrepräsentantin Cathrine Ashton im Namen aller 28 EU-Staaten an den Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter geschrieben hat. Der Schweizer Bundesrat hatte nach dem knappen Sieg eines Anti-Einwanderungsreferendums im vergangenen Februar einen entsprechenden Vorstoß unternommen.

Mittagsjournal, 25.7.2014

Aus Brüssel,

EU: Personenfreizügigkeit bleibt Grundprinzip

Beim Thema Personenfreizügigkeit spielt die EU den Ball zurück in die Schweiz. Kein einziger der 28 EU-Staaten hat das Ansinnen aus Bern unterstützt, den bilateralen Vertrag im Sinne der Anti-Einwanderungsentscheidung der Schweizer Bürger zu ändern. Einmal im Jahr trifft sich ein gemischter Ausschuss von Experten aus Bern und Brüssel. Der Schweizer Bundesrat hatte sich auf den Artikel 18 des entsprechenden Vertrages berufen, der eine Anpassung der Regeln grundsätzlich möglich macht.

Aber die Schweizer wollten über Quoten verhandeln, also eine quantitative Beschränkung der Einwanderung. Es sollte möglich werden Schweizer Bürger auf dem heimischen Arbeitsmarkt bevorzugt zu behandeln, verlangte die Regierung in Bern. Dass Brüssel dazu jetzt in aller Form nein sagt, ist keine Überraschung. Denn die von der Schweiz geforderten Neuverhandlungen betreffen den Kern des Abkommens. Wenn ein Land Einwanderungskontingente einführen will und das Prinzip der Nichtdiskriminierung von EU-Bürgern in Frage stellt, bleibt von der Grundidee der Personenfreizügigkeit nicht mehr viel übrig. Die allerdings gehört zu den Grundprinzipien der EU, deren Aufweichung man nicht akzeptieren will. Das endgültige Nein zu Neuverhandlungen bestätigt, dass die EU wenig Spielraum sieht den Schweizern entgegen zu kommen.

Dominoeffekt bei Verträgen

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz sind in etwa 100 bilateralen Verträgen geregelt. Es gibt ein Luftverkehrsabkommen, die Schweiz ist Teil des Schengen-Abkommens über das grenzenlose Reise, weitgehend ungehindert fließt der Warenverkehr, weil eigene Abkommen Handelshemmnisse beseitigen. So eng ist die Schweiz mit der EU verbunden, dass die Regierung in Bern europäische Entscheidungen regelmäßig nachvollzieht, auch wenn sie bei der Entstehung nicht beteiligt ist.

Es ist ein eng miteinander verknüpftes Vertragswerk. Sollte die Schweiz das Freizügigkeitsabkommen aufkündigen, weil die EU Nachverhandlungen verweigert, dann würden automatisch sechs weitere Verträge außer Kraft treten. Dabei geht es um die Forschung, die Landwirtschaft und die öffentliche Beschaffung. Alles Punkte, die aus Brüsseler Sicht vor allem im Schweizer Interesse sind.

Aus dem europäischen Studentenaustauschprogramm Erasmus plus musste die Schweiz für das neue Studienjahr bereits aussteigen. Aber das Interesse der Schweizer Studierenden ist unverändert groß. Damit die knapp 3000 Interessenten nicht auf die Auslandserfahrung verzichten müssen übernimmt jetzt die Regierung in Bern vorläufig die Kosten, die sonst aus dem EU-Budget beglichen worden wären. Auch bei den EU-Forschungsgeldern und der Filmförderung könnte die Schweiz einen hohen Preis zahlen, wenn kein Modus Vivendi zu finden ist. Immerhin: grundsätzlich lehnt Brüssel Verhandlungen mit der Schweiz nicht ab, solange allerdings das Prinzip der Personenfreizügigkeit nicht in Frage gestellt wird.