Ukraine: Kritik an Regierungstruppen

Der ukrainische Politologe und Militärexperte Michail Pogrebinsky, ein scharfer Gegner der derzeitigen Politik der ukranischen Regierung, kritisiert das Vorgehen der Regierungstruppen und glaubt nicht an ein baldiges Ende des Krieges.

Morgenjournal, 12.8.2014

Russische "Friedenstruppen"?

Die ukrainische Armee hat in den vergangenen Tagen militärische Erfolge gegen die pro-russischen Separatisten erzielt, hat die von den Separatisten gehaltene Millionenstadt Donezk vollständig umzingelt. Doch als Zeichen, dass der Krieg im Osten der Ukraine nun bald zu Ende sein könnte, will das der Kiewer Politologe Michail Pogrebinsky nicht sehen.

In nächster Zeit sei ein Sieg der Regierungstruppen nicht möglich, sagt Pogrebinsky. Wie sich der Konflikt weiter entwickelt, das werde sich aber sehr wohl bald entscheiden, meint der Politologe, vermutlich schon in den nächsten zwei Wochen: Entweder das Schicksal wendet sich wieder, wie schon so oft in den letzten Monaten, und die Separatisten gewinnen wieder die Oberhand, dann, so Pogrebinky, würden die Kämpfe noch lange weitergehen. Möglich sei aber auch ein anderes Szenario: "Es könnte einen großangelegten Einmarsch in die Städte Lugansk und Donezk geben. Das wiederum könnte aber dazu führen, dass Russland Friedenstruppen in die Ukraine schickt oder dass die russische Armee der Möglichkeit der Ukraine unterbindet, Städte zu bombardieren. Ich schließe das nicht aus – wenn sich die Lage weiter zuspitzt."

Denkbar wäre schließlich aber auch noch Folgendes: "Die ukrainischen Regierungstruppen erleiden zur Zeit äußerst schwere Verluste, größere, als sie offiziell zugeben", so Pogrebinsky – und vielleicht führt das noch zu einem Sinneswandel in der ukrainischen Regierung, hofft der Politologe: "Es gibt noch eine Chance, diesen Krieg zu stoppen und sich auf einen Kompromiss zu einigen."

"Putin will Kompromiss"

Doch allzu groß schätzt Pogrebinsky diese Chance dann doch nicht ein: Die Partei der Kriegsbefürworter hat die Mehrheit im Parlament, und auch unter den engsten Beratern von Präsident Poroschenko sitzen Kriegstreiber, sagt der Politologe: "Die ukrainische Führung setzt nicht den kleinsten Schritt, um Verhandlungen in Gang zu bringen", so Pogrebinsky. Doch mit wem soll die ukrainische Führung verhandeln? Zu allererst muss man sich mit Putin einigen, meint der Politologe: "Auch Putin hat ein Interesse, dass dieser Krieg beendet wird. Aber er will nicht, dass sich die Separatisten ergeben, sondern dass man mit ihnen einen Kompromiss findet." Eine echte Autonomie für den Osten des Landes müsste dieser Kompromiss umfassen, aber natürlich, so räumt Pogrebinsky ein, Putin fordert zusätzlich auch ein Mitspracherecht in der ukrainischen Politik – ein Mitspracherecht, dass ihm Kiew nicht gewähren will. "Doch was ist die Alternative", fragt Pogrebinsky –" ein Krieg, bei dem jeden Tag etliche junge Menschen sterben - auf Seite der Armee und auf Seite der Separatisten."