Bill Binney: "Polizeistaat USA"
Die wahre Macht in dieser Welt haben nicht Politiker, sondern Geheimdienste. Das sagt Bill Binney, ehemals technischer Direktor der NSA.
Nach seinem Ausstieg aus dem Geheimdienst
wirkt der als Vorgänger Edward Snowdens bezeichnete Binney nun in Österreich an einem Dokumentarfilm über das Abhören der Geheimdienste mit. Im Ö1 Interview übt er heftige Kritik am System in den USA.
8. April 2017, 21:58
(c) EPA/ROMAN PILIPEY
Mittagsjournal, 14.8.2014
"Größte Bedrohung der Demokratie"
Bill Binney ist ein ehemaliger US-Nachrichtendienst-Mitarbeiter, der die Abhörpraxis der NSA nicht mehr mittragen wollte und 2001 seinen Dienst quittiert hat. Sein Befund über den Zustand der USA: Ein Polizeistaat, die größte Bedrohung der Demokratie seit dem amerikanischen Bürgerkrieg.
Dabei gehe es im Prinzip ums Geld. Die militärische Industrie sowie die Geheimdienste verschlängen aberwitzige Milliardenbeträge, so Binney: "Rund 70 Milliarden Dollar werden von Geheimdiensten und dem Militär alleine an Aufträgen vergeben. Und dieses Geld ist der Grund warum man angefangen hat, möglichst alles abzuhören und aufzuzeichnen. Denn wenn man alles aufzeichnet, dann muss man auch alles speichern. Das heißt, sie müssen mehr Geld für Speicher ausgeben. Und natürlich müssen sie mehr Geld für externe Experten ausgeben, die diese Datenbanken managen. Und noch viel mehr Geld müssen sie für Analysten ausgeben." Also mehr Geld mehr Leute und eine größere Organisation.
"Es geht Richtung Diktatur"
Und deshalb darf das Problem etwa des Terrorismus nie gelöst werden - zumindest aus Sicht der Geheimdienste, analysiert Binney: "Sie dürfen die Probleme nicht lösen. Denn dann haben sie das Problem, dass sie kein Geld mehr bekommen. Und natürlich müssen sie dieses Imperium an Ressourcen und externen Beratern erhalten. Und deshalb wollen alle Beteiligten nicht das Problem lösen - sondern sie wollen einen neuen Vertrag." Sieh zu, dass es Probleme gibt - dann gibt es auch Geld. Und das alles wollen sich die mächtigen Geheimdienstler und Militärs nicht von Politikern oder sonst wem nehmen lassen. Ihre Waffe ist ihr Wissen: "Sie wissen alles über jeden auf dem Planeten. Alles was sie tun. Ihre finanzielle Situation. Was sie am Telefon sagen. Ihre Emails. Welche Suchanfragen sie im Internet stellen. Damit kann man jeden erpressen."
Und das passiere auch bis in die höchsten Spitzen von Politik und Justiz, und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in unseren Breiten. Denn die Geheimdienste arbeiten weltweit bestens zusammen. Über die Details wüssten ihre politischen Aufpasser oft gar nichts. Auch die Bürgerrechte würden konstant beschnitten. So hat der US Präsident ein Gesetz unterzeichnet, das historische Vergleiche unerfreulicherweise nicht scheuen muss. Binney: "Der NDA, der nationale Verteidigungsakt, den Präsident Obama unterzeichnet hat, sieht vor, dass der Präsident bestimmen kann, wer ein Terrorist ist und wer nicht. Und dass eine Person, die vom Präsidenten als Terrorist benannt wird, vom Militär abgeholt und auf unbestimmte Zeit ohne Gerichtsverfahren eingesperrt werden kann. Nun, so ein Gesetz haben die Nazis schon 1933 eingeführt. Mit den exakt gleichen Bestimmungen. Bewegen wir uns also in Richtung Diktatur? - Ja das glaube ich."
"Snowden handelte richtig"
Nun sind solche Ansichten gerade in den USA durchaus gängig -oft aber unter jenen extrem regierungsskeptischen Gruppen, die grundsätzlich jeder Art von staatlicher Macht feindlich gegenüberstehen. Doch weder gehört Binney solchen Gruppen an noch kann man ihn als Paranoiker bezeichnen. Immerhin war er bis 2002 als technischer Direktor des NSA im innersten Führungszirkel. Er habe nicht gegen die UdSSR und andere totalitäre Regime gekämpft, um jetzt die Demokratie kampflos aufzugeben. Nachdem er und andere Kollegen 2002 gegen die massenhafte Sammlung von Daten intern rebelliert haben - hätten Geheimdienst und FBI versucht ihnen durch gefälschte Beweise den Prozess zu machen. Der Vorwurf: Verschwörung. Nur durch Freunde im Justizsystem, die ihm Daten zugespielt haben, seien diese Machenschaften des FBI nicht durchgegangen. Deshalb habe Edward Snwoden richtig gehandelt: Hätte er intern etwas gesagt, wäre er ohne Prozess in einem Militärgefängnis gelandet.
Und wenn man Snowden den Prozess machen will - bitteschön. Aber dann kommen andere vorher: "Wenn wir Snwoden bestrafen, dann auch alle anderen, die involviert sind. Die gesamte Bush- und Obama-Administration. Und dann erst Snwoden. Denn in dieser Reihenfolge haben die Verbrechen stattgefunden." Er, Binney, werde jedenfalls bis zu seinem Ende dafür kämpfen, dass die Macht wieder zum Wahlvolk zurückkehrt. Und er hofft, dass die Menschen endlich erkennen, dass der Abhörwahn eine direkte Bedrohung für jeden darstellt.