Brasilien: Korruptionsskandal im Wahlkampf

Bis vor wenigen Wochen schien die Wiederwahl der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff so gut wie sicher. Dann verunglückte ihr Herausforderer Eduardo Campos tödlich und an seine Stelle trat die ehemalige Umweltministerin Marina Silva, die den Umfragen zufolge der amtierenden Präsidentin ernsthaft gefährlich werden dürfte. Jetzt erschüttert auch noch ein Korruptionsskandal die Regierung mitten im Wahlkampf: Der Ex-Chef des staatlichen Erdölkonzerns Petrobras hat ausgesagt, dass zahlreiche Politiker bei den Erdölgeschäften des Staatskonzerns mitgeschnitten hätten.

Mittagsjournal, 10.9.2014

Rousseff in Bedrängnis

Ausgerechnet wenige Wochen vor den Wahlen lässt Paulo Roberto Costa die Bombe platzen. Bis kurzem war der ehemalige Direktor des staatlichen Erdölkonzerns Petrobras einer der mächtigsten Männer Brasiliens. Im März wurde er verhaftet. Der Vorwurf: Geldwäsche im großen Stil. Um sein Strafmaß zu verringern nannte Costa jetzt Namen: und zwar von etwa 50 brasilianischen Politikern aus mehreren Parteien. Sie sollen regelmäßig bei Petrobras-Geschäften etwa 3 Prozent der Vertragssumme abgezweigt haben. Unter den Beschuldigten: der brasilianische Energieminister, mehrere Gouverneure sowie Abgeordnete der regierenden Arbeiterpartei.

Für Präsidentin Dilma Rousseff kommt das eher ungelegen: Zuerst müssen wir überprüfen, ob die Vorwürfe überhaupt stimmen. Die Zeitschrift, die den Fall öffentlich machte, hat ja nicht verraten, wo sie die Informationen her hat. Es ist nicht Aufgabe der Presse zu urteilen, wer korrupt ist, sondern jene der Behörden, so die Noch-Präsidentin. Veröffentlicht wurden die Namen verdächtiger Politiker von der konservativen Zeitschrift Veja - und die ist der Regierung nicht gerade freundlich gesinnt.

Trotz allem dürfte der Korruptionsskandal Dilma Rousseff letztendlich nur wenige Stimmen kosten, meint der brasilianische Politologe und Soziologe Murillo de Aragao: Natürlich beschädigt der Petrobras-Skandal Dilmas Ansehen als Führungsperson. Allerdings: gerade ärmere und weniger gebildete Brasilianer interessieren sich nicht sonderlich für das Thema Korruption. Sie sagen: naja, so funktioniert Politik eben, das war schon immer so. Sie wählen weiterhin die Arbeiterpartei, denn ohne Zweifel hat deren Politik der Armutsbekämpfung eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenssituation gebracht.

Gegnerin Marina Silva im Aufwind

Für die politische Gegnerin Marina Silva von der Sozialistischen Partei Brasiliens ist der Skandal um den staatlichen Erdölkonzern Petrobras ein gefundenes Fressen: Die Petrobras wird durch politischen Einfluss und Korruption zerstört. Es wird Zeit, dass das brasilianische Volk zurückbekommt, was ihm gehört.

Dabei finden sich auf der Liste der verdächtigen Politiker keineswegs nur Vertreter der Arbeiterpartei, sondern auch ein gewisser Eduardo Campos. Also, jener sozialistische Präsidentschaftskandidat, durch dessen tödlichen Flugzeugabsturz Marina Silva überhaupt erst zur Präsidentschaftskandidatin wurde. Trotzdem dürfte ihr das keinen Schaden zufügen, betont Politikberater Murillo de Aragao: Ja, ihre Partei ist in den Skandal verwickelt, aber sie persönlich nicht. Marina war noch nie in irgendwelche Korruptionsaffären oder ähnliches involviert. Darum wird sie von den Menschen als saubere Politikerin wahrgenommen.

Laut aktuellen Meinungsumfragen dürfte es im Oktober zu einer Stichwahl zwischen Amtsinhaberin Dilma Rousseff und Marina Silva kommen. Derzeit liegt die ehemalige Umweltministerin Silva knapp in Führung.