Brasilien vor Präsidentinnen-Wahl

Am kommenden Sonntag wird in Brasilien gewählt. Präsidentin Dilma Rousseff von der linken Arbeiterpartei PT stellt sich der Wiederwahl. Laut Umfragen liegt sie zwar in Führung, dürfte aber im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit erreichen. In einer Stichwahl könnte ihr Herausfordererin Marina Silva gefährlich werden.

Die ehemalige Umweltministerin geht für die gemäßigt konservative sozialdemokratische PSB ins Rennen, nachdem deren ursprünglicher Spitzenkandidat im August bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.

Mittagsjournal, 3.10.2014

Die Stimmung vor der Wahl in verschiedenen Teilen Brasiliens - eine Reportage von

Arme lieben Rousseff

"Dilma mit dem tapferen Herzen" - so dröhnt es aus dem Wahlkampfauto, das in der Kleinstadt Lages do Batata stundenlang seine Runden dreht. Sie liegt im sogenannten Sertão, im Hinterland des Bundesstaates Bahia, im Nordosten Brasiliens. Es ist eines der ärmsten und trockensten Gebiete des Landes. "Heute fährt er den ganzen Tag durch Lages do Batata", erklärt der Fahrer, "morgen sind dann einige Dörfer in der Umgebung an der Reihe." Doch manche Dörfer im Sertão sind so abgelegen, das nicht einmal eines der zahlreichen Wahlkampfautos seinen Weg dorthin findet.

Im Dorf Lagoinhas zum Beispiel gibt es weder elektrischen Stromleitungen noch Fließwasser. In Plastiktanks wird Regenwasser gesammelt. Das Dorf ist beinahe menschenleer, die Kinder sind in der mehrere Kilometer entfernten Schule, die Erwachsenen arbeiten gerade als Erntehelfer auf den umliegenden Plantagen der Großgrundbesitzer. Nur ein paar Frauen sind zuhause und kochen Reis und Bohnen: Sie werde für die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff stimmen, erklärt eine Bewohnerin. Denn diese sei eine Kämpferin, außerdem die einzige, die sich für die Probleme der Armen interessiere.

Auch die Nachbarin wird Dilma wählen, denn sie sei der Arbeiterpartei dankbar für die Einführung das Sozialhilfeprogramm Bolsa Familia, erklärt sie. Von dem geringen Lohn, den ihr Mann als Saisonarbeiter auf der Plantage erhalte, könne die mehrköpfige Familie schließlich kaum überleben. Dank der Bolsa Familia konnten in den vergangenen 12 Jahren an die 40 Millionen Brasilianer und Brasilianerinnen der absoluten Armut entkommen. Gerade der ärmliche Nordosten gilt als Hochburg der Arbeiterpartei.

Mittelschicht will Silva

Ganz anders die Situation im schicken Stadtteil Ipanema in Rio de Janeiro. Hier in unmittelbarer Nähe des Strandes wohnt die obere Mittelschicht. Die Bewohner hier sind entweder für den liberalen Kandidaten Aecio Neves oder für die ehemalige Umweltministerin Marina Silva. In einem ist sich die gut ausgebildete Mittelschicht in Ipanema aber einig: Alles sei besser als noch eine Amtsperiode von Präsidentin Dilma von der Arbeiterpartei. Diese Regierung sei kommunistisch, meint eine Passantin. Einer anderen ist das Sozialhilfeprogramm Bolsa Familia ein Dorn im Auge: "Ich bin gegen diese Bolsa Familia. Da bekommen die Leute Geld geschenkt und dann wollen sie nichts arbeiten."

Viele ärgern sich auch über die zahlreichen Korruptionsskandale der letzten Jahre. Erst vor wenigen Wochen kam eine Schmiergeldaffäre rund um den staatlichen Erdölkonzern Petrobras ans Tageslicht: "Die Präsidentin hat da beide Augen zugedrückt. Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet die Arbeiterpartei, die immer vom Volk spricht, Korruption toleriert."

Laut aktuellen Meinungsumfragen dürfte es zu einer Stichwahl zwischen der amtierenden Präsidentin Dilma Rousseff und ihrer Kontrahentin Marina Silva kommen. Und hier liegt seit kurzem Dilma Rousseff wieder in Führung.