Ukraine: Regierung für Tote verantwortlich

In der Osturkaine haben die Kämpfe spürbar nachgelassen, aber um den Flughafen der Stadt Donezk und einen Ort auf der Hauptstraße zwischen Donezk und Lugansk wird weiterhin gekämpft. In den bisher sechs Wochen "Waffenstillstand" sollen mehr als 300 Personen getötet worden sein, und dafür trägt nach Angaben der US-Organisation Human Rights Watch auch die Ukraine eine beträchtliche Mitverantwortung.

Mittagsjournal, 15.10.2014

"Angriffe von Regierungstruppen"

Für die Nicht-Regierungs-Organisation Human Rights Watch ist der Norweger Ole Solvang immer wieder in der Ostukraine, um Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch die Konfliktparteien zu dokumentieren. Solvang selbst war Offizier in den norwegischen Streitkräften und bringt somit selbst militärisches Fachwissen mit. Eine Woche war er nun wieder in Donezk und Lugansk unterwegs, um den Beschuss von zivilen Wohngebieten zu dokumentieren. Seine Schlussfolgerungen für die Stadt Donezk lauten so: "In den meisten Fällen, die wir untersucht haben, deuten alle Hinweise auf die Verantwortung der ukrainischen Regierung hin. Wenn wir einen Fall dokumentieren, dann analysieren wir, welche Waffen verwendet wurden, woher etwa der Raketenwerfer abgefeuert wurde; dadurch können wir mit einer gewissen Sicherheit die Richtung bestimmen; und in den meisten Fällen kommen die Angriffe auf die Stadt Donezk von Regierungstruppen."

"Raaketenanwendung völkerrechtswidrig"

Umkämpft ist in Donezk vor allem der Flughafen; doch wiederholt werden vor allem Außenbezirke der Stadt beschossen, und zwar durchaus nicht nur Gebiete, die militärisch bedeutsam sein könnten: Ole Solvang: "In einigen Fällen scheint es, dass die ukrainischen Kräfte Positionen der Rebellen oder ihre Truppen treffen wollten; doch in vielen Fällen konnten wir kein legitimes militärisches Ziel in der näheren Umgebung ausmachen. Hinzu kommt, dass in einigen von uns dokumentierten Fällen die ukrainischen Truppen Waffen einsetzen, die wie Raketenwerfer überhaupt kein Ziel präzise treffen können. Ihre Anwendung in zivilen Gebieten ist völkerrechtswidrig."

Warum, erläutert der Norweger so: "Humanitäres Kriegsvölkerrecht legt fest, dass man nur Waffen nutzen darf, die zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheiden können. Wenn man in einem bevölkerten Gebiet eine Waffe einsetzt, die ein großes Territorium abdeckt, kann man diesen Unterschied nicht machen und damit verletzt man Kriegsvölkerrecht. Das gilt etwa für den Einsatz von Raketenwerfern, die in Salven abgefeuert werden."

Die Zahl der Opfer seit dem Waffenstillstand wird auf mehr als 300 geschätzt; doch genaue Angaben sind schwierig, weil oft unabhängige Quellen fehlen. Dazu sagt Solvang: "Der Arzt im Leichenschauhaus in Donezk angegeben hat, dass sie seit dem Inkrafttreten des Waffenstillstandes pro Tag etwa zehn tote Zivilisten bekommen haben. Das ist kein wirklicher Waffenstillstand, wenn so viele Zivilisten täglich getötet werden."