Libyen versinkt im chaotischen Machtkampf
Vor drei Jahren blickte die ganze Welt nach Libyen. Seit Monten herrschte dort im Zuge des arabischen Frühlings Revolution, der Aufstand gegen Machthaber Muammar Gaddafi. Mit Hilfe internationaler Luftschläge fiel Tripolis im August 2011 in die Hand der Aufständischen, Gaddafi verschwand. Er wurde am 21. Oktober in seiner Geburtstadt Sirte aufgespürt, von revolutionären Milizen-Banden grausam ermordet und dann tagelang zur Schau gestellt. Heute, drei Jahre später, blicken die Medien nur mehr selten nach Libyen, das inzwischen in einem chaotischen Machtkampf zu versinken droht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 20. Oktober 2014
Geteilte Macht
Der Rachemord an Muammar al-Gaddafi vor drei Jahren war gnadenlos. Um seine Tötung und dann um seine Leiche rangen die libyschen Milizen und Clans wie um eine Trophäe. Ein bizarres Abbild des in den Reihen er Aufständischen längst aufgebrochenen Machtkampfs. In den Straßen und Cafés von Tripolis weiß heute keiner, wer Libyen regiert.
1000 Kilometer weiter im Osten, in der kleinen Küstenstadt Tobruk, tagt ein Parlament. Es wurde im Juli gewählt. Aber sein Einfluss reicht kam über die Stadtgrenzen hinaus. Ein Rest des islamistisch dominierten Vorgängerparlaments hat sich in Tripolis festgekrallt und behauptet seine Macht. Das in Tobruk beharrt darauf, gewählt, legitim und international anerkannt zu sein. Die Widersacher in Tripolis erklären, sie kontrollieren die Hauptstadt und den Großteil des Landes.
Die beiden Lager lassen sich zum besseren Verständnis grob in Islamisten, Extremisten bzw. Nationalisten und Ex-Intelligentia einteilen. Trotz Unschärfe und Vielfältigkeit der Bündnisse.
Anarchie in den Straßen Libyens
Das Islamisten-Lager schürt gegen die Männer in Tobruk und nennt sie allesamt Abkömmlinge des alten Gaddafi-Regimes. Den militärischen Schutz für Tobruk sichert ein abtrünniger Gaddafi-General. Khalifa Haftar hat mit Hilfe anderer Exmilitärs eine Armee gebildet und den Islamisten den Kampf angesagt. Zugleich versinkt das Land in Gewalt und Unsicherheit. In der zweitgrößten Stadt Bengasi, von Islamisten kontrolliert, sind Hinrichtungen an der Tagesordnung. An der Befreiung Bengasis ist General Haftar bisher gescheitert.
Aber der Machtkampf, der Libyen zu zerreißen droht, tobt nicht unter Lybiern. Jedes Lager, jede Fraktion, jede Gruppe, hat ihre Unterstützer im Ausland. Saudi Arabien, Ägypten, Katar, Türkei, den Westen: alle ziehen an den Strippen. Zu wichtig ist Libyen. Zu reich an hochqualitativem Erdöl, mit tausenden Kilometern Küste am südlichen Mittelmeer. Eine Goldmühle für Schlepperbanden, die im Schutz der Anarchie täglich hunderte Flüchtlinge auf die todbringende Fahrt übers Meer schicken.