Ukraine-Wahl: Pro-Europäer gewinnen

Die Parlamentswahlen in der Ukraine haben wie erwartet einen klaren Sieg der pro-europäischen Parteien gebracht. Laut zwei Nachwahlbefragungen liegt die Partei von Präsident Petro Poroschenko, der Block Poroschenko, knapp vor der Volksfront von Premierminister Arseni Jazenjuk. Auch eine pro-russische Partei dürfte den Einzug ins Parlament schaffen.

Ukrainisches Wahllokal

APA/EPA/ROMAN PILIPEY

Morgenjournal, 27.10.2014

Liberale in Regierung?

Nach der Parlamentsneuwahl wollen die Parteien rasch mit den Koalitionsverhandlungen beginnen. Neben dem Poroschenko-Block und der Volksfront von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk könnten sich die liberale Partei Samopomoschtsch (Selbsthilfe) und die Vaterlandspartei von Julia Timoschenko an der künftigen Regierung beteiligen. Prognosen nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend zufolge kämen sie auf eine deutliche Mehrheit in der Obersten Rada. Poroschenko sagte bei einer Wahlparty, er sehe in der Volksfront einen Partner für seine eigene Partei. "Wir werden in Kürze eine Koalition bilden", sagte auch Jazenjuk im TV-Sender 112.ua. Der Präsident schaffte sich mit dem Urnengang erstmals eine eigene Machtbasis in der Rada. "Drei Viertel der Wähler haben für den Westkurs der Ukraine gestimmt", sagte Poroschenko. Das sei ein klarer Auftrag für die künftige Regierung. Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko meinte: "Erstmals verfügen die demokratischen Kräfte in der Obersten Rada über die absolute Mehrheit."

Enttäuschungen und Überraschungen

Im Lager von Poroschenko dürfte es allerdings trotz des vorhergesagten Ergebnisses von 23 Prozent lange Gesichter geben, meinten Experten. Umfragen hatten dem Parteienbündnis mehr als 30 Prozent der Stimmen zugetraut. Jazenjuks rechtsliberale Volksfront kam den Prognosen zufolge aus dem Stand auf 20,7 Prozent, deutlich mehr als vorausgesagt. Die Volksfront beanspruchte noch am Abend den Posten des Regierungschefs für Jazenjuk.

Als größte Überraschung werteten Beobachter das Resultat der liberalen Samopomoschtsch. Die Gruppe, zu der auch der populäre Bürgermeister von Lwiw (Lemberg), Andrej Sadowy, gehört, kam Prognosen zufolge auf 13,2 Prozent der Stimmen. Viele Wähler sahen in der Partei aus dem proeuropäischen Westen eine unverbrauchte Kraft. Timoschenkos Vaterlandspartei kam laut Prognosen auf 5,6 Prozent.

Unerwartet schlecht schnitt der Rechtspopulist Oleg Ljaschko ab. Seine Radikale Partei landete nicht wie erwartet an zweiter, sondern an fünfter Stelle mit laut Prognosen 6,4 Prozent der Stimmen. Das oppositionelle Parteienbündnis um Ex-Vizeministerpräsident Juri Boiko kam Prognosen zufolge auf 7,6 Prozent. Die rechtsradikale Partei Swoboda schaffte nach den Vorhersagen mit 6,3 Prozent knapp den Einzug in die Rada.

Die Kommunisten scheiterten demnach an der Fünf-Prozent-Hürde. Auch der Rechte Sektor, der radikale Flügel der blutigen Winterproteste auf dem Maidan, erreichte den Prognosen zufolge kaum zwei Prozent. Die Wahlkommission begann in der Nacht mit der Bekanntgabe erster Teilergebnisse, die aber zunächst nur auf 0,5 Prozent der Stimmen beruhten. 29 Parteien waren zu der Abstimmung zugelassen.

Es war die erste Parlamentswahl seit der Machtübernahme proeuropäischer Kräfte, die im Februar den prorussischen Staatschef Viktor Janukowitsch gestürzt hatten. Zugleich galt die Wahl als letzter Schritt für die Legitimierung der neuen Führung nach der Präsidentenwahl im Mai. Poroschenko hatte die Wahl nach der Auflösung der Regierung vorzeitig angesetzt. (Text: APA, Red.)