Brasilien: Schwere Zeiten für Dilma Rousseff
Auf die wiedergewählte Präsidentin Brasiliens, Dilma Rousseff, warten zahlreiche Herausforderungen: Die brasilianische Wirtschaft schwächelt, von Senat und Parlament, die ebenfalls jetzt neu gewählt wurden, kann sie künftig weniger Unterstützung erwarten als bisher, und die brasilianische Bevölkerung scheint gespalten wie nie zuvor.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 29.10.2014
Beleidigte Investoren
Ein solidarisches Brasilien möchte sie schaffen, in dem die Bevölkerung zusammenhält. Das verkündete Präsidentin Dilma Rousseff kurz nach ihrer Wiederwahl. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Der Wahlkampf hat die Menschen in Brasilien polarisiert. In sozialen Medien verbreiten frustrierte Aécio-Anhänger Video-Hassbotschaften gegen die „dummen“ Wähler der Arbeiterpartei. Die Präsidentin selbst möchte den Dialog suchen – auch mit jenen Sektoren, die ihr im Wahlkampf weniger wohlgesonnen waren:
Wunschkandidat des Wirtschafts- und Finanzsektors wäre der liberal-konservative Aécio Neves gewesen. Dementsprechend beleidigt reagierten Investoren auf die Wiederwahl der Mitte-Links-Politikerin Dilma Rousseff. Viele verkauften sofort ihre brasilianischen Wertpapiere: Die Aktie des halbstaatlichen Erdölkonzerns Petrobras verlor am Montag nach der Wahl 12 Prozent ihres Wertes. Der Leitindex der Börse Sao Paulo fiel um mehr als 6 Prozent und auch die brasilianische Währung verlor an Wert. Bereits am Dienstag legte sich die Hysterie der Märkte wieder.
Ringen um Vertrauen
Will Dilma Rousseff das Vertrauen des Wirtschafssektors zurückgewinnen, müsse sie möglichst bald einen neuen Finanzminister sowie Reformen präsentieren, erklärt der brasilianische Politikwissenschaft Carlos Pereira von der Getulio Vargas Stiftung in Rio de Janeiro: "Sie muss dem Wirtschaftssektor ernsthafte Signale geben, dass die Regierung die Inflation im Griff hat, die Wirtschaft wieder zu wachsen beginnt und Staatsausgaben reduziert werden. Dann kommt das Vertrauen zurück."
In den kommenden Wochen will Dilma Rousseff ein entsprechendes Maßnahmenpaket präsentieren. Dabei muss sie sich gut überlegen, wen im Land sie glücklich machen möchte: ihre eigene Wählerschaft wünscht sich: mehr Staatsausgaben für soziale Sicherheit. Der Wirtschaftssektor und ihre politischen Gegner wollen Sparpolitik und Inflationsbekämpfung. "Wenn die Präsidentin - angesichts einer so polarisierten Wahl und eines so knappen Wahlergebnisses – Legitimität in der Bevölkerung haben will, dann muss sie wohl oder übel auch Forderungen der Wahlverlierer in ihre Agenda aufnehmen."
Suche mach Mehrheiten
Als Schwerpunkt ihrer zweiten Amtsperiode hat die Präsidentin die Verbesserung des brasilianischen Bildungssystem versprochen. Das war eine der Hauptforderungen der Demonstranten, die vergangenes Jahr auf die Straßen gingen. Und sie möchte ein weiteres Versprechen von damals einlösen: eine umfangreiche Politikreform, plus Volksabstimmung darüber. Kernstück davon: Wahlkampfspenden von Unternehmen sollen verboten werden. Erstens um den politischen Einfluss der Unternehmen zu reduzieren, zweitens um Korruption zu bekämpfen. Bereits vergangenes Jahr war Dilma Rousseff mit einem ähnlichen Vorschlag gescheitert - am Widerstand des Kongresses. Diesmal dürfte es nicht leichter werden, erklärt Politologe Carlos Pereira, denn bei den Parlaments- und Kongresswahlen, die parallel stattfanden, ging die Opposition gestärkt heraus: "Die Präsidentin muss jetzt eine stabile Koalition schaffen. Mit ihren bisherigen Verbündeten hat sie nur noch eine hauchdünne Mehrheit im Kongress. Aber es wird schwierig werden, neue Partner zu finden. Die meisten Parteien wollen eher in Opposition bleiben."
In Brasilien gibt es keine fixe Regierungskoalitionen, sondern nur lose Abstimmungsbündnisse. Die Präsidentin muss sich für jedes Vorhaben aufs Neue deren Sympathie sichern. Im brasilianischen Parlament werden künftig 28 – statt bisher 21 Parteien vertreten sein. Eine gemütliche Amtszeit steht Dilma Rousseff mit Sicherheit nicht bevor.