Kobane: Unterstützung zur Grenzbewachung

Widersprüchlich sind die Meldungen über die Verteidigung der kurdischen Stadt Kobane - auf der einen Seite melden die Kurden Erfolge im Kampf gegen die IS-Truppen, letztlich auch durch die Verstärkung, die sie bekommen haben aus dem Irak, von wo Kämpfer über die Türkei nach Syrien gekommen sind. Aber auch die Milizen des sogenannten Islamischen Staates bekommen Zulauf aus der Türkei. Kurdische Flüchtlinge bewachen deshalb unbewaffnet jede Nacht die Zufahrtswege aus der Türkei in Richtung Syrien.

Morgenjournal, 6.11.2014

Eine Reportage von der türkisch-syrischen Grenze,

Wenn die Belagerer von Kobane bei Nacht auf die türkische Seite schauen, dann können sie ihre Feinde mit freiem Auge sehen. Dutzende von kleinen Lagerfeuern brennen entlang der Grenze. Daran wärmen sich Frauen und Männer, kurdische Flüchtlinge von der syrischen Seite und Kurden aus der türkischen Grenzregion. Wenn man sie fragt, was sie die ganze Nacht hier bei eisiger Kälte tun, dann sagen sie: Wache halten: Vor 4 Wochen wurden Banditen erwischt, die da rübergehen wollten. – Aber sie haben doch keine Waffen? Wie wollen Sie die aufhalten? – 2,3 Kollegen kontrollieren immer, was da alles über die Grenze gebracht wird. Das ist das Mindeste, was wir machen können.

An jeder Zufahrtsstraße nach Syrien postieren sich nachts unbewaffnete Freiwillige. Sie wollen verhindern, dass die Dschihadisten bei Kobane Nachschub bekommen. Zülfü ist mit dem Auto aus Deutschland gekommen. Ein pensionierter kurdischer Gastarbeiter, der die Menschen in der Grenzregion mit Lebensmitteln und warmen Decken versorgt: Ich könne nicht zu Hause sitzen und im Fernsehen schauen wenn hier Menschen umgebracht werden. Ich könnte nicht ein schönes Leben machen mit Heizung, wo der Kühlschrank voll ist.

Nachts schläft Zülfü ein paar Stunden in seinem Auto. Wir sind in der türkischen Ortschaft Caykara, von ihren kurdischen Bewohnern Mahser genannt. Vor dem Krieg haben hier 45 Familien gewohnt. Jetzt sind genauso viele Flüchtlinge von drüben dazu gekommen. Die Dorfbewohner teilen mit den Fremden ihre Häuser und sitzen nachts mit ihnen gemeinsam im Freien. Denn an Schlaf ist nicht zu denken. Um sich aufzuwärmen, werden immer wieder auch kurdische Lieder gesungen. In Hörweite der Dschihadisten.

Hilfe kommt aus dem Ausland, vor allem von Kurden aus Deutschland: Hab mir mein Ticket gebucht und bin einfach hergefahren. Ich habe gesehen unter welchen Umständen die Leute in den Zelten leben. Dass sie Kleidung brauchen und Zelte. Echt ist echt kalt hier …. Viele Kinder sind ohne Schuhe, und das bei dieser Kälte. Mir ist so schon mit meiner warmen Jacke kalt.

Die Laborassistentin aus Darmstadt hat sich spontan ein Monat Urlaub genommen, um Zeit mit den Flüchtlingen zu verbringen und ihnen Mut zu machen. Auch ein prominenter Sportler hat sich dazu gesellt, der Profiboxer Ismail Özen: Ich bin hier nicht weil ich Boxer bin und auch nicht weil ich Kurde bin, sondern weil ich ein Mensch bin. Diese ISIS-Truppe verkauft zurzeit Kinder.
Auch Hikmet, der Imam des Dorfes, ist Kurde. Seine kleine Moschee ist inzwischen zum Schlafplatz für Flüchtlinge aus Kobane geworden.

Um sie nicht so früh zu wecken, lässt er das erste Gebet im Morgengrauen manchmal ausfallen.
Zurzeit kommen die Leute aus dem Dorf ohnehin kaum zum Beten. Am Lagerfeuer erzählen sie von einem sechzehnjährigen Deutschen, der nachts über die Grenze wollte, um sich dem IS anzuschließen. Die freiwilligen Wächter haben ihn abgefangen und mithilfe der Kurdenpartei BDP nach Ankara zur deutschen Botschaft bringen lassen.

Die meisten Kurden hier scheinen überzeugt, dass die Dschihadisten sich an ihrem Widerstand die Zähne ausbeißen werden. Der Profiboxer Ismail Özen: Diese ISIS-Banditen werden das Land, so wie sie gekommen sind, auch verlassen.

Drüben auf der syrischen Seite scheint nachts sogar der Krieg eingefroren. Kurz vor Sonnenuntergang waren noch ein paar Artillerietreffer zu hören und das weit entfernte Donnern amerikanischer Aufklärungsflugzeuge. Der IS sei bereits im Rückzug, meinen die Nachtwächter an der Grenze. Eine Hoffnung, an der man sich zumindest ein wenig wärmen kann.

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