"Café Sonntag"-Glosse von Peter Iwaniewicz
Wozu brauchen Menschen Tiere?
Es gibt zwei Arten von Haustieren: Nutzhaustiere und Freudenhaustiere.
8. April 2017, 21:58
In einer britischen Studie wurden Passanten vor Supermärkten und Volkshochschulen befragt, ob sie sich ein Haustier anschaffen wollen. Die Fragebögen erhoben auch die Beziehungen dieser Menschen zu ihrem sozialen Umfeld. Die Untersuchung kam zu dem interessanten Ergebnis, dass jene Menschen, die planten ein Tier zu halten, ihre Beziehungen zu anderen als konfliktreicher und unbeständiger beschrieben als jene Teilnehmer, die kein Interesse an Haustieren haben. Offenbar erleben viele Leute den Kontakt mit Haustieren als emotional bereichernd und sicherer als die oft problematischen Bindungen zu ihren Mitmenschen.
Daraus könnte man den ebenso voreiligen wie falschen Schluss ziehen, dass diese Form der Tierhaltung bloß eine Ersatzhandlung von und für Menschen mit gestörtem Sozialleben oder möglicherweise noch tieferliegenden Problemen sei.
So unterstellt man beispielsweise jungen Paaren, die sich eine Katze zulegen, sich in Wirklichkeit ein "Kind mit Pelz" zu kaufen, Besitzer von Kampfhunden sind angeblich Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen und Reptilienhalter würden damit nur ihr eigenes farbloses Leben mit Exotik aufwerten. Was würde das für die psychosoziale Situation in Österreich bedeuten?
In 800.000 Haushalten gibt es 1,5 Millionen Katzen und in ca. einer halben Million Wohnungen gibt es fast 600.000 Hunde. Dann folgen 64.000 Meerschweinchen 30.000 Goldhamster und 65.000 Zwerghasen. Darüber hinaus gibt es etwa 120.000 Aquarien mit vielen verschiedenen Fischen. Würde man in dieser kurzen Statistik jeden davon einzeln mitzählen, dann wären Fische eindeutig die beliebtesten Haustiere des Landes.
Aber wir schweifen ab und wollen uns der eigentlichen Frage, "wieso brauchen Menschen Tiere", zuwenden.
Haustiere haben im Unterschied zu Menschen eine wesentliche Eigenschaft: Sie urteilen nicht. Weder das Aussehen noch besondere Fähigkeiten oder der gesellschaftliche Status eines Menschen sind dafür ausschlaggebend, ob man von einem Tier akzeptiert wird. Bedingungslos zeigen Tiere ihre Zuneigung durch Freudensprünge, Schwanzwedeln, Entgegenlaufen oder Schnurren. Sie reagieren auf uns, sie suchen den körperlichen Kontakt, sie hören zu und freuen sich über die Gesellschaft eines Menschen.
Dieses Verhalten entspricht im Prinzip den Anforderungen, die an einen Therapeuten gestellt werden: Eine Behandlung gelingt, wenn der Patient bedingungslose positive Zuwendung erfährt, ihm mitfühlendes Verstehen entgegengebracht wird und wenn alle Äußerungen des Klienten ohne Zweifel und ohne Beurteilung akzeptiert werden. Unsere Haustiere verhalten sich genauso.
Zu wieviel Selbsterkenntnis muss ein Lebewesen fähig sein, damit wir ein partnerschaftliches Verhältnis aufbauen können? Regenwürmer zum Beispiel können uns weder anerkennen, noch lieben. Das Niveau des Selbstbewusstseins eines Lebewesens überprüft man mit einem Spiegel. Erkennen Tiere sich selbst in ihrem Spiegelbild, halten sie sich nur für einen Rivalen oder sehen sie gar nichts?
Gerald Votava ist ein künstlerisches Multitalent, der uns als Musiker, Schauspieler und Kabarettist seinen Spiegel vorhält und uns testet, wieviel Bewusstsein in uns steckt. Dies tut er aber immer auf eine wunderbare und einfühlende Weise, die Seelen streichelt und nicht verletzt. Dann produziert unsere Hypophyse Oxytocin, das sogenannte Kuschel-Hormon und wir erleben das endokrinologische Pendant zu einem Abend mit Kerzenlicht, einem Glas Rotwein und guter Musik. Ahh.