IS: Christen auf der Flucht

Der Vormarsch des sogenannten "Islamischen Staates" treibt auch die Christen im Nordirak in die Flucht. Es war die letzte Region des Nahen Ostens, in dem Christen in großen geschlossenen Siedlungsgebieten zusammengelebt haben.

Morgenjournal, 15.1.2015

Flüchtlinge in Erbil, eine Reportage von

Eine Gruppe von Kindern und Frauen betet im Hof der Mar Elias Kirche in Ankawa, einem Vorort von Erbil, der Hauptstadt der kurdischen autonomen Region im Nordirak. Der Garten rund um die Kirche ist voll mit Zelten: Etwa 500 Menschen haben hier Zuflucht gefunden: Die Zelte sind zwar stabil, aber wegen des starken Regens und des Schnees im Jänner sind die Böden überall feucht. Im August musste Amir mit seiner Familie vor dem IS flüchten, der auf Arabisch Daisch heißt. Heute betet er für den Frieden - auf der ganzen Welt, nicht nur im Irak.

Amir stammt aus Quaraquosh, einer vorwiegend von Christen bewohnten Kleinstadt nahe von Mosul. Sie seien rechtzeitig gewarnt worden, erzählt er, deshalb seine keine Verwandten getötet worden. Amir will zurückkehren, aber erst wenn der IS vertrieben ist. Die Christen bräuchten Sicherheitsgarantien erklärt Bashar Warda, der chaldäische Erzbischof von Erbil. Der IS müsse militärisch besiegt werden.

Mehr als 120.000 Christen seien im Nordirak auf der Flucht. Die Kirche würde alles tun um sie im Land zu halten und Zukunftsperspektiven zu geben. Mit internationalen Hilfsgeldern würde jetzt versucht die Menschen aus den Lagern in feste Unterkünfte zu bringen, mehrere Schulen seien gerade im Bau, jetzt müsse man Arbeitsplätze finden. Aber laut Statistik verlassen weiter jeden Tag 60 Christen den Irak.

Wenn das so weitergehe hätten sich die Gemeinden bald aufgelöst. Die Kirche stecke in einem Dilemma: Wir können die EU und die internationale Gemeinschaft nicht bitten ein Umsiedelungsprogramm zu starten, denn jedes dieser Programme führt dazu, dass nur noch mehr Menschen versuchen so schnell wie möglich auszuwandern. Gleichzeitig ist die Lage hier nicht einfach.

Einzelnen Familien könne man helfen wenn sie nach Europa oder in andere Länder umgesiedelt werden ergänzt Archimandrit Emanuel Youkhana, der die christlichen Hilfswerke in der nordirakischen Stadt Dohuk koordiniert. Doch alle Christen könne man nicht umsiedeln, das zu glauben sei naiv.

Nötig sei daher ein Gebiet in dem die Minderheiten leben können und dessen Sicherheit von internationalen Truppen garantiert werde - ohne dass die Menschen Angst haben müssten bei nächster Gelegenheit wieder von islamistischen Extremisten überfallen, bedroht oder zur Konversion gezwungen zu werden. Wir müssen Leben retten: Der Frauen, der Kinder, der Familien, die über Nacht ohne irgendetwas geflohen sind und jetzt diesen harten Winter überstehen müssen. Aber wir müssen auch die Kulturen der Minderheiten retten: Der Christen, der Jesiden, der Mandäer. Vor zehn Jahren gab es im Irak noch eine Million Christen. Heute sind es laut den optimistischsten Daten noch höchstens 350.000.

Erstmal in der christlichen Geschichte habe es heuer kein Weihnachtsfest mehr in der Millionenstadt Mosul gegeben, sagt Archimandrit Youkhana, der IS habe alle Christen von dort vertrieben. Ohne internationale Unterstützung drohe dieses Schicksal allen christlichen Gemeinschaften im Nordirak.