Russlands Politik in der Ukraine

Zeitgleiche Signale der Entspannung und Signale der Eskalation im Konflikt um die Ostukraine. Wie es dort weitergeht, hängt zum überwiegenden Teil davon ab, wie sich Russland in diesem Konflikt verhält.

Mittagsjournal, 22.1.2015

Aus Moskau,

Doch welche Rolle spielt Russland eigentlich zur Zeit wirklich? Was will Moskau letztendlich erreichen? Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind - denn Teil der Politik Russlands ist es ja gerade, nicht zu erklären, was es tut und was es will - eine Strategie, um das Ausland stets vor Rätsel zu stellen. Die gestrige Pressekonferenz des russischen Außenministers Sergei Lawrow hat zumindest ein paar dürre Hinweise darauf gegeben, worauf Russland hinaus will.

Lawrow erklärt: wir geben die Ukraine nicht auf. Das ist der Titel, der heute auf der ersten Seite der Zeitung Moscow Times prangt - und auch wenn es der russische Außenminister gestern in Wirklichkeit nicht mit derart eindeutigen Worten ausgedrückt hat, so ist die Zeitungsschlagzeile doch eine gute Zusammenfassung dessen, was Lawrow der Welt vermutlich mitteilen wollte. Klargemacht hat Lawrow jedenfalls mehrmals, was für Russland die wichtigste Vorbedingung für eine Lösung des Konflikts in der Ostukraine ist: Nicht ohne Grund kehren wir immer wieder zum Thema Verfassungsreform zurück und nicht ohne Grund weisen wir immer wieder auf den wichtigsten Grund für diese Krise hin.

Dieser wichtigste Grund ist laut den Worten Lawrows, dass die verschiedenen Teile der Ukraine zu unterschiedlich seien, als dass sie in einem zentralistisch organsierten Staat zusammenleben könnten. Ein Land aus mehreren Regionen, die eine weitgehende Unabhängigkeit von der Zentralregierung genießen - dieses Staatsmodell für die Ukraine bringt Lawrow damit wieder als wichtigste Forderung Russlands auf den Tisch. Es ist ein Modell, für das Russland schon im vergangen Frühjahr vehement eingetreten ist. Später war davon aber kaum noch die Rede, und russische Politologen zogen bereits den Schluss, dass Russland in diesem Punkt zurückgesteckt hat. Doch nun ist das Thema wieder auf dem Tisch, und Lawrow ist klar, dass er damit auf Widerstand aus Kiew stößt: Die ukrainische Führung will immer von diesem Thema ablenken. Und schon Worte wie Föderalisierung, Autonomisierung oder Dezentralisierung werden in Kiew als ungehörig angesehen.

Die Regierung in Kiew ist tatsächlich entschieden gegen eine Verfassungsreform, die so weit geht, wie sich das Moskau wünscht. Den einzelnen Teilen des Landes etwa ein Vetorecht über die Außenpolitik der Zentralregierung zuzugestehen, würde die Ukraine nur destabilisieren, lähmen, und Moskau auf dem Umweg über die Beeinflussung pro-russischer Regionen auch ein Mitspracherecht über die Politik der gesamten Ukraine bringen. Das - so meinen Politologen - ist freilich genau das Ziel der russischen Politik. Und Lawrow macht klar, dass, solange die Ukraine in diesem Punkt nicht nachgibt, Russland in anderen Punkten nicht nachgeben wird:

Die Frage darüber, wer die russisch-ukrainische Grenze auf ihrer gesamten Länge kontrolliert, kann erst entscheiden werden, wenn die politischen Fragen vollständig geklärt sind.

Derzeit wird ja die Grenze zwischen dem Separatistengebiet und Russland nicht von der Ukraine kontrolliert. Das gibt Russland die Möglichkeit, die Separatisten, wie die Ukraine meint, mit Waffen zu versorgen und eigene Truppen über die Grenze in die Ukraine zu schicken. Eine Möglichkeit, die sich Russland also auch in Zukunft nicht nehmen lassen will. Womit aber klar ist: Russland ist tatsächlich auch weiter nicht bereit, seine Ziele in der Ukraine zurückzuschrauben