David Lieske im Wiener mumok

Das Museum Moderner Kunst in Wien eröffnet heute Abend die Ausstellung "Ludwig Goes Pop". Parallel zur musealen Pop-Schau ist eine Einzelausstellung zu sehen, die das Verhältnis von Pop und Kunst in der zeitgenössischen Kunst auslotet: Der Label-Betreiber, Galerist und Künstler David Lieske hat sich hierfür mit dem Konzept der Lebensbeschreibung auseinandergesetzt.

Wie verändern Massenkonsum und Entertainment unsere Gesellschaft und die sichtbare Welt? Diese Frage stellten sich die Künstler der Pop-Art. Und sie fanden die Sujets ihrer Kunst in Zeitungen und Cartoons, im Supermarktregal, oder im glamourösen Bilduniversum der Traumfabrik Hollywood. Das Museum Moderner Kunst in Wien eröffnet heute Abend die Ausstellung "Ludwig Goes Pop". Parallel zur musealen Pop-Schau ist eine Einzelausstellung von David Lieske zu sehen.

Kulturjournal, 11.02.2015

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mumok - David Lieske

Ausstellungsansicht, Platoon, David Lieske

Platoon (RL-X)

MUMOK/LAURENT ZIEGLER

Nein, wir befinden uns nicht im Dschungel, auch wenn der deutsche Künstler David Lieske allerlei Versatzstücke ins Museum Moderner Kunst geschleppt hat, die an ein Soldatencamp im Urwald erinnern. Am Boden liegen leere Patronenhülsen (übrigens eine Leihgabe des österreichischen Bundesheeres), leere Kanister sind zu Türmen aufgestapelt und umrahmt wird das Ganze von Tarnnetzen. "Platoon (RL-X)" nennt David Lieske seine Installation. Und bevor Missverständnisse aufkommen: Eigentlich handelt es sich um eine Leseecke, in der Ausstellungsbesucher und -besucherinnen Lieskes Biographie in aller Ruhe lesen sollen.

Der Titel klingt wie ein ehrliches Eingeständnis "I tried to make this work (Vol I)". Geschrieben hat die Biografie ein Ghostwriter. "Ich hatte die Idee in der New Yorker Subway. Dort sah ich die Anzeige einer Agentur, die anbot, für Menschen eine Biographie zu schreiben. Der Tenor der Anzeige: 'What celebrities can have, you can have it too.' Damals hatte ich das erste Mal die Idee, mich dem Thema Biographie anzunähern", so David Lieske. Jeder hat gewissermaßen das Recht auf eine Biografie. Dass Lieke seine Leseecke im mumok im militärischen Camouflage-Look präsentiert, ist Tarnung.

Drei Sekunden pro Kunstwerk

"Für mich ist das Setting von einer kommerziellen Präsentation auf einer Messe abgeleitet. In diesen Präsentationen geht es ja meistens darum, ein bestimmtes Genre zu illustrieren. Und mein Buch ist sozusagen in die falsche Koje gebracht worden. Das Buch und die Präsentation passen nicht zusammen. Dieser Gedanke hat mir gefallen", sagt David Lieske. Eigentlich sind also nur die Genres durcheinandergeraten, gut zu wissen.

Lieske ist 35 Jahre alt. Seine Vita bietet aber bereits genug Stoff für eine spannende Geschichte. Er war mit dem Rapper Samy Deluxe befreundet, gründete In Hamburg ein House-Label, legte als DJ in Berlins legendärer Panorama-Bar auf und landete irgendwann als Künstler und Galerist im Herzen der Berliner Kunstszene. Ein Lebensweg mit Stationen in Hamburg, Tel-Aviv, Berlin und zuletzt New York. Garniert ist seine Biographie mit Anekdoten über mehr oder minder prominente Proponenten der Kunstwelt. Wer seine Neugierde stillen will, muss sich freilich die Zeit nehmen und Lieskes Biographie in der Ausstellung lesen.

Kunst als Konzentrationsübung

Laut Statistik widmen Museumsbesucher und Museumsbesucherinnen einem Kunstwerk im Durchschnitt drei Sekunden. Auf Kunstmessen ist es noch weniger. Für Lieskes Arbeit muss man aber vor allem eines Mitbringen: viel Zeit zum Lesen. Denn die Biographie kann nur vor Ort gelesen werden. Unter erhöhten Sicherheitsbedingungen wird darauf geachtet, dass keines der 300 aufliegenden Bücher aus dem Museum geschmuggelt wird.

"Die Ausgangsidee das Buch zu machen, war die Einladung einer Galerie, eine Koje für eine Kunstmesse zu konzipieren. Die Kunstbetrachtung steht bei einer Kunstmesse im Zeichen der Zeitökonomie. Die Messebesucher sind von der Menge der Kunstwerke meist überfordert, nehmen einzelne Arbeiten kaum wahr. Deshalb habe ich mir überlegt, wie man eine Arbeit entwickeln kann, die so spektakulär ist, dass Leute sie wirklich unter die Lupe nehmen wollen. Ich habe ihnen mein ganzes Leben geboten, inklusive aller Peinlichkeiten und Intimitäten, die man sich vorstellen kann. Ich habe mich mit Haut und Haaren zu Markte getragen", sagt David Lieske.

Natürlich ist seine Arbeit auch ein humorvoller Kommentar auf die Stilisierung der Künstlerbiographie und ihr Versprechen eines exzessiven, sinnesfreudigen Lebens. Der schöpferische Kunst-Berserker, der einen freien Lebensentwurf abseits bürgerlicher und ökonomischer Zwänge verkörpert,lässt sich auch heute noch gut vermarkten. Das weiß David Lieske. Exzesse aus seiner Berliner Partyzeit hat Lieske vorzuweisen, doch als Künstler bewahrt er lieber einen kühlen Kopf. Er bezieht sich auf Verfahren der historischen Konzeptkunst, verschiebt die Bedeutung von Objekten und Gegenständen und bringt sie in einen neuen Zusammenhang. Das Medium Buch zum Beispiel. Die mobile Bibliothek in der Hosentasche ist heute längst Realität. Smartphones und E-reader haben es möglich gemacht. Insofern kann Lieske Installation als große Konzentrationsübung im Zeitalter des Multitasking gelesen werden. Denn wer das Kunstwerk wirklich verstehen will, muss an Ort und Stelle verharren und lesen.