Christopher Long über den Sittlichkeitsprozess
Der Fall Loos
Vor kurzem tauchte in einer privaten Wohnung ein Gerichtsakt auf, der als verloren galt: der Prozess gegen den Architekten Adolf Loos aus dem Jahr 1928. Einzig das Urteil war bis zum Fund amtlich bekannt: Loos war der "Verführung zur Unzucht" von drei minderjährigen Mädchen überführt und "zu vier Monaten strengem Arrest" verurteilt worden.
8. April 2017, 21:58
Über die Vergehen des Architekten und seine Verteidigung vor Gericht gab es nur Vermutungen. Jetzt erscheint im Amalthea Verlag ein Buch mit dem Titel "Der Fall Loos".
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Christopher Long, "Der Fall Loos", Amalthea Verlag
"Ein aufschlussreiches Buch."
Am 4. September 1928 wird Adolf Loos in seiner Wohnung in der Bösendorferstraße verhaftet. Auslöser ist die Anzeige einer Frau, die von den Nachbarkindern erfährt, dass sie für einen Mann Modellstehen und zur Ballettausbildung nach Paris geschickt werden. Sie vermutet einen Mädchenhändler hinter der Sache und geht zur Polizei. Rasch ist Adolf Loos ermittelt. Er gibt zu, die drei Mädchen im Alter von acht bis zehn Jahren in seiner Wohnung gezeichnet zu haben, sie entkleidet und gebadet zu haben. Wenn er sie berührt habe, so sei das rein zufällig geschehen.
Christopher Long hat vor allem interessiert, wie die Zeitungen von Wien über Berlin bis Brünn und Prag über den Fall Loos berichteten. Unterstützung bekam Loos interessanterweise von der kommunistischen Zeitung und der "Arbeiter-Zeitung" - und das, obwohl Arbeitermädchen die Opfer waren. Sie wurden beim Prozess als notorische Lügnerinnen und moralisch verdorben denunziert. Denn auch die Kinderpsychiater waren Teil des Freundeskreises von Loos.
Auch wenn man noch auf das Buch mit dem kompletten Gerichtsakt warten muss, so ist Christopher Longs Buch doch aufschlussreich: Es zeigt erstmals, wie das Netzwerk der Pädophilen und ihrer Verteidiger in den Wiener Künstlerkreisen funktionierte und welche internationale Industrie schon damals hinter der Kinderpornographie steckte. Loos musste keinen einzigen Tag ins Gefängnis. Das Urteil von vier Monaten war bedingt ausgesprochen. Loos arbeitete unbehelligt weiter.