Prozess gegen "Goldene Morgenröte" startet
Mit 18 Abgeordneten sitzt die rechtsextreme, als neonazistisch eingestufte "Goldene Morgenröte" seit drei Jahren im Parlament Griechenlands und bildet die drittstärkste Kraft. Zu ihren Forderungen gehört zum Beispiel die Errichtung einer Spezialtruppe mit freier Schusserlaubnis auf Flüchtlinge, die illegal ins Land kommen wollen.
8. April 2017, 21:58
Ab heute stehen 72 Parteimitglieder, darunter die Führungsspitze, und Sympathisanten der "Goldene Morgenröte" in Athen vor Gericht.
Morgenjournal, 20.4.2015
Fast 700 Seiten stark ist die Anklageschrift. Der Katalog der rund 100 Straftaten umfasst Mord, versuchten Totschlag, illegalen Waffenbesitz und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Dass die laut Anklage aus dem Parlament heraus gesteuert wurde, macht die Angelegenheit so bedeutsam und den Prozess zu einem der wichtigsten Prozesse in Griechenland seit dem Ende der Militärdiktatur 1974, erklärt Dimitris Christopoulos von der griechischen Menschenrechtsliga:
"Zum ersten Mal muss sich eine kriminelle Organisation, die quasi als Partei getarnt war, für ihre Straftaten vor Gericht verantworten. Auch europaweit ist das etwas Einzigartiges. In der Regel ist es ja selbst bei Parteien, die mit kriminellen oder Terrororganisationen in Verbindung stehen, so, dass es einen Unterschied gibt: zwischen dem politischen Arm und dem bewaffneten Arm. Im Fall der Goldenen Morgenröte hingegen ist die politische Partei das Herzstück der kriminellen Organisation."
Das Interesse der griechischen Öffentlichkeit an dem Prozess ist immens. Der findet nicht allerdings im Athener Gericht, sondern im Gefängnis selbst statt. Eine ungewöhnliche Entscheidung, für die der Prozess gegen die Terrororganisation "17. November" Pate stand. Doch der Neonazi-Prozess ist wesentlich größer, und so gibt es großen Widerstand von Seiten der Zivilgesellschaft gegen die Entscheidung, so Dimitris Christopoulos.
"Das größte Problem ist mangelnde Öffentlichkeit. Der für den Prozess bereitgestellte Saal ist klein, es passen dort nicht viele Menschen rein. Es wäre also zu hoffen, dass der Prozess möglichst bald an einen Ort verlegt wird, der die verfassungsmäßig garantierte Öffentlichkeit des Prozesses garantiert."
Bis zum Ausbruch der griechischen Finanzkrise war die Goldene Morgenröte nahezu bedeutungslos. Bei den Wahlen 2009 hatte die Partei nur 0,3 Prozent der Stimmen erlangt. Seither liegen sie stabil bei über sechs Prozent - und das trotz der Verhaftung der führenden Mitglieder der Partei. Im derzeit amtierenden Parlament ist die Goldene Morgenröte mit 17 Sitzen als drittstärkste Kraft vertreten. Einige der zu dem Zeitpunt noch in Untersuchungshaft sitzenden Parteimitglieder wurden sogar wiedergewählt. Sollten sie schuldig gesprochen werden, so drohen ihnen allerdings bis zu 20 Jahre Haft.