Die "Café Sonntag"-Glosse von Georg Biron
Das Böse ist sehr fotogen
Also: Ich muss jetzt gleich am Anfang einmal Folgendes sagen: Mit Schauspielern tu ich mir schwer. Die meisten Schauspieler, die ich kennen gelernt habe, sind nur schwer auszuhalten, weil sie fast immer überwältigt sind von der eigenen Großartigkeit.
8. April 2017, 21:58
Dabei hat das, was sie vor der Kamera oder auf der Bühne sagen, ja ein anderer geschrieben, ein Dichter, und wenn Schauspieler etwas tun, dann machen sie es, weil der Regisseur ihnen sagt, was sie tun sollen. Aber wenn sie nicht auf der Bühne oder vor einer Kamera agieren, dann sind viele von ihnen ganz schön hilflos und verloren und wahrscheinlich auch einsam. Dann schmeißen sie mit sich rum, wissen nicht, was sie sagen oder tun sollen, und gehen Leuten wie mir gründlich auf die Nerven.
Ja, ich weiß schon, natürlich sind nicht alle so, manche sind wirklich sehr starke faszinierende schillernde Persönlichkeiten, die haben auch selbst etwas zu sagen, und sie sind genau dann am besten, wenn es keine Regieanweisungen gibt. Und einer von denen ist mit Sicherheit Udo Kier, der uns demnächst als Patriarch in der neuen ORF Serie "Altes Geld" begegnet.
Udo Kier ist seit 50 Jahren eine filmische Erscheinung und ich sage jetzt nichts über seine strahlenden Augen, die schon so viele Frauen, aber auch Männer verzaubert haben.
Er spielt keine Hauptrollen, meistens ist er auch nur kurz zu sehen - rein und raus - aber er schafft damit den Spagat zwischen Hollywood-Produktionen, Arthaus-Filmen, Trash-Movies und, ach ja, dazwischen hat er auch noch Zeit, um in Japan Werbespots für Zahnbürsten zu drehen.
Udo Kier hat mit den Regisseuren Andy Warhol, Rainer Werner Fassbinder, Steven Spielberg, Quentin Tarantino und Lars von Trier gearbeitet. Er spielte mit Nicole Kidman, Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger, Pamela Anderson und John Malkovich. Und er war als Experte für Halunken aller Art und als Streuner in schrägen Welten zu bewundern.
Mit Leidenschaft verkörpert er immer wieder das Böse, weil es einprägsamer ist als das Gute. Fotogen eben. Genauso fotogen wie Udo Kier selbst, der als junger Mann in Köln für ein paar Münzen Passbilder von sich an fremde Menschen verkaufte, weil er entdeckt hatte, dass sie ihn so gerne anschauten. Für einen Schauspieler gibt es nichts Besseres, als die Blicke auf sich zu ziehen. Seine fast schon überirdische Schönheit machte ihn tollkühn und auch hemmungslos. Er war ein Kind seiner Zeit, erlebte die wilden Partys in London, New York und Rom. Sex & Drugs & Rock 'n' Roll - er war sexuell nach allen Seiten offen, kannte keine Tabus und holte das Maximum aus seinem Leben heraus.
Wäre er nicht Schauspieler, so sagt er heute, dann wäre er ein Gärtner, der Bäume pflanzt, die Erde riecht und das Wachstum beobachtet. So einer braucht keine Regieanweisungen, der weiß selber ganz genau, wie er am besten ankommt ...