Türkei-Wahl bestimmt Erdogans Schicksal
Vor den türkischen Parlamentswahlen am kommenden Sonntag steigt die Spannung. 57 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Und es geht längst nicht nur um die Zusammensetzung des neuen Parlaments, sondern vor allem auch um die künftige politische Rolle des umstrittenen Präsidenten Tayyip Erdogan. Er polarisiert wie kaum ein Politiker vor ihm.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 1.6.2015
Von seinen Gegnern gehasst, von seinen Anhängern vergöttert. Fest steht: Tayyip Erdogan mit seinem rhetorischen Talent, mit seinem Hang zum Populismus und immer einer gehörigen Portion Aggressivität, ist zweifellos der begnadetste Wahlkämpfer des Landes. Obwohl er das derzeit eigentlich gar nicht sein dürfte. Laut Verfassung muss der Präsident neutral sein. Schließlich handelt es sich um eine Parlamentswahl.
Doch rührt Tayyip Erdogan für seine islamisch-konservative Regierungspartei eifrig die Werbetrommel. Vor allem auch für sich selbst. Der Präsident will die Verfassung ändern, ein präsidiales System einführen und damit sein Amt und sich selbst mit deutlich mehr Macht ausstatten lassen. Und dazu braucht er im Parlament für seine Partei eine deutliche Mehrheit. Für seine politischen Gegner ein Alptraum.
Sie warnen gar vor einem Ende der türkischen Demokratie. Präsident Erdogan und seine AKP haben den Bogen überspannt sagt der bekannte politische Kolumnist und Autor Mustafa Akyol: „Die AKP Ära vor gut einem Jahrzehnt hat vielversprechend begonnen und deshalb haben Leute wie ich die Partei auch unterstützt. Doch mit der Zeit wurde die Regierung immer autoritärer und intoleranter. Und seit zwei Jahren haben wir es mit einer regelrechten autoritären Paranoia zu tun. Die Regierung und Präsident Erdogan denken, dass jedes Hindernis, dass jede Kritik an Ihnen von einer großen globalen Verschwörung herrühre. Dass es allen Kritikern darum gehe, die Regierung zu stürzen. Wenn das politische System erst einmal so strukturiert ist, dann wird alles und jedes als Verrat und Verbrechen angesehen.“
Tatsächlich ist die wirtschaftliche Erfolgsbilanz der AKP Regierung unter dem langjährigen Premier und heutigen Präsidenten Erdogan beeindruckend. Seit dem Antritt der islamischen Konservativen vor 13 Jahren hat sich die Wirtschaftsleistung der Türkei verdreifacht. Das Land hat einen Modernisierungsschub erlebt. Mit Wachstumsraten, die sich mit jenen Chinas oder anderer aufstrebender Schwellenländer durchaus messen konnten.
Mittlerweile hat die türkische Wirtschaft viel an Schwung verloren. Und daran trägt auch der Präsident Mitschuld sagt Mustafa Akyol.„Erdogan hat sich mit der Zentralbank angelegt. Es gibt Unstimmigkeiten innerhalb der Regierung wegen der Wirtschaftspolitik. Ich glaube nicht, dass ein weiterer fulminanter Wahlsieg der AKP zu dauerhafter Stabilität führt. Sondern es kann Zweifel nähren, ob weiterhin rationale Entscheidungen die Wirtschaftspolitik bestimmen.
Dass größte Problem ist vielleicht, dass die Türkei ein Land ist, das der politische Hass geteilt hat. Eine gestärkte AKP würde die Teilung noch tiefer und bitterer werden lassen.“ Mustafa Akyol bringt auf den Punkt was viele über diese Wahl denken: „Sie wird uns weisen, ob wir die nächsten 20 Jahre mit Erdogan leben werden oder nicht. Er will ein Präsident ohne Ablaufdatum werden.“
Viele fänden dies gar nicht schlecht, ähnlich viele eine Katastrophe. Diese Kluft zeigt, wie vergiftet das politische Klima in der Türkei mittlerweile geworden ist.