Compliance-Regeln für Parteien?

Seit 2012 gelten in Österreich strenge Antikorruptionsbestimmungen: Unternehmen, darunter auch der ORF, haben darauf reagiert und ein Compliance-Management eingeführt, also Regeln aufgestellt und Verantwortliche benannt, die dafür sorgen, dass die Mitarbeiter nicht durch Unvereinbarkeiten mit dem Gesetz in Konflikt kommen. In der Politik selbst, die die Gesetze verschärft hat, scheinen aber diese noch nicht wirklich angekommen zu sein.

Mittagsjournal, 22.6.2015

"Compliance in Politik ein Fremdwort"

Ein sozialdemokratischer Abgeordneter und Spitzengewerkschafter, dessen Gewerkschaft die Mehrheit an einer gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft hält, mietet eine günstige Wohnung Nähe Wiener Innenstadt von einer befreundeten Genossenschaft, die zum Teil direkt der SPÖ gehört. Josef Muchitsch hat den Fehler mittlerweile eingestanden und den Mietvertrag gekündigt.

Für Andreas Kovar, Chef einer führenden Lobbying-Agentur und mit dem Projekt "BesserEntscheiden" ein Vorkämpfer für transparente politische Prozesse, legt der Fall eine Schwachstelle offen. Compliance-Management - in den vergangenen Jahren in weiten Bereichen der Wirtschaft selbstverständlich geworden - sei in der Politik selbst ein Fremdwort, sagte Kovar im Ö1-Mittagsjournal. "Während das in der Wirtschaft ziemlich durch ist, kommt das jetzt erst in der Politik an", so Kovar.

"Gesetzesänderungen falscher Weg"

Kovar betonte, dass die Parteien überall anders eine ungeheure Regelungswut an den Tag legten. Im eigenen Bereich bräuchte die Politik zunächst einmal das Bewusstsein, dass es hier Regeln geben müsse, und dann sollten diese Regeln auch verschriftlich werden, fordert Kovar. Zudem sollte es Sanktionen geben, wenn diese Regeln dann nicht eingehalten würden.

Die aktuelle Diskussion sollte aber ein Umdenken in den Parteien und Parlamentsklubs einleiten, hofft der Experte. Die Aufnahme von Unvereinbarkeitsbestimmungen zum Beispiel in das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, wie das die SPÖ angesichts der Insider-Wohnungskäufe von GEWOG-Geschäftsführer Karl Wurm vorgeschlagen hat, hält Kovar für den falschen Weg.

Kommen strengere Regeln?

Entscheidend sei, dass Einflussnahmen der Politik in diesem Bereich ausgeschaltet werden, betonte Kovar. "Die Frage ist ja nicht, ob jemand eine günstige Wohnung hat, sondern die Frage ist, wie ist er zu dieser günstigen Wohnung, zum Job oder dergleichen gekommen", so der Experte. Etwa durch politische Einflussnahmen.

Über strengere Unvereinbarkeitsregeln wird denn auch der Aufsichtsrat des Revisionsverbands der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften nächste Woche beraten. GEWOG-Chef Wurm hatte am Montag über seine Anwälte übrigens noch einmal mitteilen lassen, dass mit seinen Wohnungskäufen alles rechtlich in Ordnung sei.