Wiener Secession zeigt Cao Feis China

Wie wirkt sich der wirtschaftliche Aufstieg und der kulturelle Wandel in China auf Gesellschaft und Individuen aus? Dieser Frage geht die chinesische Künstlerin Cao Fei in ihren Arbeiten nach. In Multimedia-Installationen, großformatigen Fotografien und Videos untersucht sie, wie die gesellschaftlichen Umbrüche in China neue Megastädte und urbane Lebenswelten geschaffen haben. Die Wiener Secession widmet Cao Fei ab morgen eine Ausstellung.

Morgenjournal, 1.7.2015

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Secession - Cao Fei
Cao Fei
RMB City

Lockmittel Secession

Chinesische Schriftzeichen, stilecht in goldenen Lettern, prangen derzeit über dem Eingang der Secession am Wiener Karlsplatz: Es ist der Name des chinesischen Immobilienprojekts "Splendid River". Hintergrund dieser Intervention der Künstlerin Cao Fei: In ihrer Heimatstadt Guangzhou, einer wirtschaftlichen Boomregion, steht eine exakte Kopie des Secessionsgebäudes - kein Museum, sondern Sitz ebenjenes Immobilienunternehmens. In der südchinesischen Metropole ist der berühmte Jugendstilbau mit der goldenen Blätterkuppel kein kunsthistorisches Symbol, sagt Cao Fei, sondern ein Werbemittel.

Virtuelle Stadt "RMB City"

Cao Fei wurde Ende der 1970er Jahre in Guangzhou geboren, als von Staatsführer Deng Xiaoping die wirtschaftliche Öffnung des Landes ausging. Wie der darauf einsetzende Boom das Leben der Menschen veränderte, ist Thema ihrer künstlerischen Arbeiten. "RMB City" heißt ihr bisher größtes Projekt: Drei Jahre lang konstruierte sie auf der Internet-Plattform "Second Life" eine virtuelle Stadt mit großartiger Architektur und allen Einrichtungen, die man brauchte. Es war Cao Feis Vision von China, die nun in der Secession auf zwei großformatigen Fotografien und am Computer zu bestaunen ist. Doch im New-Economy-Zeitalter kann alles sehr schnell gehen: 2011 fand das Projekt ein jähes Ende.

Nach drei Jahren habe ich "RMB City" beenden müssen, denn das Land, das man vom Online-Unternehmen "Second Life" erwerben musste, war zu teuer. Wenn man die monatliche Rate nicht zahlen konnte, verschwand diese virtuelle Stadt, an der man so lange gebaut hatte, von einer Sekunde auf die andere. Das Projekt hat am Ende die Frage aufgeworfen, was Utopien im flüchtigen Online-Zeitalter überhaupt wert sind.

Indirekte Kritik erlaubt

Die virtuelle Welt als Fluchtpunkt vor der unsicheren Realität, aber auch als Ort menschlicher Entfremdung ist Gegenstand von Cao Feis Arbeiten. Die Teilnehmer von Online-Dating-Plattformen werden ebenso zu Akteuren in ihren Arbeiten wie Putzroboter, die sich in der Installation "Rumba" zu einer zufälligen Choreografie zusammenfinden und ein menschenloses System darstellen.

Cao Fei entblößt die Absurditäten einer Gesellschaft im radikalen Wandel - und doch ist ihre Kritik indirekt genug, um nicht ins Visier der Behörden zu geraten. Und auch bei ihrem berühmten Kollegen Ai Weiwei hat man einen Kurswechsel vollzogen: Ihm sind in Beijing derzeit gleich vier Ausstellungen gewidmet sind. Ob das ein Zeichen für eine kulturpolitische Öffnung Chinas ist? Cao Fei ist skeptisch.

Bis zum 30. August zeigt die Secession die Arbeiten von Cao Fei. Eine parallel laufende Ausstellung ist der US-amerikanischen Malerin Laura Owens gewidmet.

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